30 Jahre Sensi Seeds – ein Interview mit Gio Dronkers

Ein Mann in einem Sensi-Samen-T-Shirt, das ein Mikrofon in einem Sensi-Samen-Shop hält

In einer Interviewreihe haben wir mit niemand geringerem als Sensi Seeds Gründer Ben Dronkers, dem Meisterzüchter Alan Dronkers und einem der wahrscheinlich bekanntesten Gesichter von Sensi Seeds, Ravi Spaarenberg, gesprochen. Jetzt ist es allerdings an der Zeit, genau den Mann zu treffen, der gegenwärtig die Geschäfte der weltweiten Nummer 1 unter den Hanfsamenbanken leitet. In einem Einzelinterview im Firmenhauptsitz in Amsterdam hat der Direktor von Sensi Seeds Gio Dronkers uns Rede und Antwort gestanden.

Ein Mann in einem Sensi-Samen-T-Shirt, das ein Mikrofon in einem Sensi-Samen-Shop hält

Hallo Gio, vielen Dank, dass du dir für uns Zeit nimmst! Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, erinnerst du dich an dein erstes Cannabis High? Was war das für eine Erfahrung?

Als ich zum ersten Mal high war … war ich ungefähr sechzehn. Ich hatte ein kleines Stück Hasch von meinem Vater bekommen – na, sagen wir geborgt -, und zusammen mit einem Freund habe ich meinen ersten Joint gedreht. Wir hatten wahnsinnig viel Spaß dabei und haben uns eine ganze Weile halb totgelacht!

Und was besonders witzig war: Am Wochenende danach – an den Wochenenden ging ich zum Abendessen immer zu meinem Vater und übernachtete bei ihm – fragte er mich während des Essens plötzlich geradeheraus: „Hast du schon mal geraucht?“ und ich sagte: „Ja, erst vor Kurzem“. Und er fragte: “Und wie fandst du es?”, und ich antwortete: “Klasse, wir hatten viel Spaß,” und dann aßen wir einfach weiter.

Mit Freunden zu rauchen, war wirklich lustig. Zuerst war es bloß ein Freund, dann haben sich noch mehr Freunde den Spaß gegönnt, und schließlich machten wir es regelmäßig. Wir gingen fast jede Woche aus. Zuvor trafen wir uns, rauchten einen Joint und haben es echt genossen. Es war also eine ausgesprochen gesellige Angelegenheit.

Was hast du gemacht, bevor du das Familienunternehmen verstärkt hast?

Sensi Seeds 'Jack Herer Cannabis-Belastung
Sensi Seeds‘ Jack Herer

Bevor ich zu Sensi kam, habe ich Medizin studiert. Ich interessierte mich für die Forschung, hatte aber noch keine genauere Vorstellung, schließlich fing ich gerade erst an. Wegen des Losverfahrens hatte ich nicht das Glück, gleich einen Studienplatz zu ergattern, sondern musste eine Zeit lang warten. Daher beschloss ich, ein Jahr nach Antwerpen zu gehen und dort Medizin zu studieren. Das war jedoch ein Fehler, denn die medizinische Ausbildung unterscheidet sich grundlegend von der in den Niederlanden. Es handelte sich eigentlich nur um eine Wiederholung des Lehrstoffs, der schon im letzten Jahr meines Vorbereitungskurses für die Universität durchgenommen worden war!  Jedenfalls zu 90 %, und die restlichen 10 % hatten zwar mit Medizin zu tun, waren aber ziemlich langweilig; man musste Skelettknochen zeichnen und solche Sachen. Keine sonderlich überzeugende Ausbildung. Als ich dann nach Rotterdam kam, drückten sie einem im ersten Monat des Kurses ein Messer und eine Leiche in die Hand und sagten: Mach mal! Das war was völlig anderes. Eine wesentlich spannendere, praktische Studienmethode.

Man kann sagen, dass ich eher wissenschaftlich veranlagt bin. Ich finde gerne heraus, wie die Dinge funktionieren, oder will es lernen, wenn ich kann. Das war mir schon immer wichtig. Ich bin von Haus aus kein Züchter, sondern ein Computerfan. Die erste Website aufbauen und solche Sachen, das war meine Welt. Von Kindesbeinen an habe ich mich hauptsächlich mit technischen Systemen beschäftigt; mit Computern, Druckern, Faxgeräten, Alarmanlagen und dergleichen mehr. Als das Unternehmen gegründet wurde und man mit solchen Geräten umgehen musste, war ich daher derjenige, der sagte: „Warum probierst du es nicht mal auf diese Weise?“, und so habe ich eine Menge Störungen behoben.

Wann hast du dich schließlich dazu entschieden, das Sensi Seeds Team zu verstärken?

Mein Einstieg bei Sensi war mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, er erschien ganz natürlich. Irgendwie gehörte es auch zur Entwicklung des Unternehmens. Zuerst hatte Alan diese Position inne, er wandte sich dann dem Bereich der Züchtung zu; danach kam Ravi und schließlich Jeroen [General Manager von Sensi Seeds], und dann trat ich in die Firma ein. Als Alan und auch Ravi zu einem bestimmten Zeitpunkt beschlossen, in eine andere Funktion zu wechseln, hat Ben mir diese Tätigkeit vorgeschlagen. Aber es war nicht von vornherein geplant.

Arbeitet ihr daran, in der Zukunft neue Sorten herauszubringen?

Sofern es in den nächsten Jahren neue Sorten gibt, werden wir dies vielleicht bekannt geben, aber im Moment werden all diese Mitteilungen unter Verschluss gehalten. Wir probieren nämlich eine neue Strategie aus. Angesichts des riesigen Angebots im Handel ist es schwer, etwas völlig Neues und Aufregendes herzustellen. Du weißt ja, wir sind unglaublich verwöhnt! Aber wir arbeiten daran.

Die neuesten Sorten, die wir in der Kollektion Sensi Seeds Automatic herausgebracht haben, sind schon sehr spannend, weil es sich um die selbstblühenden Versionen einiger unserer Klassiker handelt. Wir überlegten, welche unserer Samensorten nach wie vor beliebt sind, und mit denen haben wir angefangen, sodass jetzt mehr Menschen als je zuvor unsere Pflanzen anbauen können.

Welche sind deine Lieblingssorten?

Es fällt mir schwer, mich auf meine persönlichen Favoriten festzulegen, weil wir so viele wirklich tolle, wirklich köstliche Sorten anbieten. Obwohl … Ich rauche jeden Tag Jack Herer. Außerdem mag ich Northern Lights und NL#5 x Haze. Ich rauche gerne Jack am Morgen und Haze am Abend.

Was sind deine Gedanken zum momentanen Status der globalen Cannabislegalisierung? Wenn man sich die außergewöhnlichen Ereignisse in Amerika ansieht (Uruguay mit dem durch die Regierung belieferten und kontrollierten Verkauf von Cannabis, Brasilien mit der Legalisierung von CBD, die Staaten Nordamerikas mit ihrer Legalisierung von medizinischem und freizeitlichem Cannabis), scheint die globale Cannabislegalisierung um die Ecke und bleibt die Niederlande bezüglich Freiheit und Toleranz zurück?!

Sensi Samen 'Northern Lights Cannabis-Belastung
Sensi Seeds‘ Northern Lights

Schwierige Frage. Was in Uruguay geschieht, ist sehr erfreulich, aber sie befinden sich noch in einem ganz, ganz frühen Stadium der Legalisierung. Dort hat man den Grenzwert von 15 % [THC] übernommen, aber anderswo gilt diese Regel nicht; es handelt sich eher um eine willkürliche Festsetzung des niederländischen Justizministers. Doch nachdem im uruguayischen Gesetz nun mal festgelegt wurde, wie viel THC Gras enthalten darf, muss eben Gras mit diesem Grenzwert geliefert werden. Ich mache mir Sorgen, dass die Erfolgschancen des ganzen Programms erheblich sinken, wenn der freie Markt keine Gelegenheit erhält, daran teilzunehmen.

Der Punkt ist: Jeder behauptet, Cannabis sei nun in Uruguay legal, aber eigentlich stimmt das gar nicht. Die Meldung ist falsch, und da liegt das Problem. Richtig ist, dass das Cannabisgesetz beträchtlich gelockert wurde. Jetzt gibt es eine Organisation, die die Gene zugänglich macht und es ermöglicht, sie an registrierte Personen zu verteilen. Vermutlich gibt es auch ein paar Pläne für soziale Clubs und lizenzierte Grower, doch diese bieten nur eine begrenzte Zahl von Genen an. Dahinter steht der Gedanke, dass sie Gene haben wollen, die ausschließlich in Uruguay erhältlich sind und nicht in den Nachbarländern auftauchen.  Deshalb wurde das Limit eingeführt.

Einerseits ist es großartig, was in Uruguay passiert, andrerseits … Man sollte sich nicht nur darum kümmern, was die Nachbarländer von einem denken, sondern sollte das eigene Volk mit den Gütern versorgen, die es will und um die es tatsächlich gebeten hat; das heißt, man sollte es erst mal satt kriegen … Wenn man das nicht tut, dann kommt man eben zu solchen Ergebnissen. Solange die übrige Cannabisindustrie noch illegal ist, wird das System, das sie eigentlich beseitigen wollen, nicht verschwinden, sondern nach wie vor gültig bleiben.

Letztlich ist es ja das Volk, das raucht und entscheidet, wo es sein Gras kauft. Da kaufen sie es doch bestimmt nicht beim Staat, wo sie nur über eine begrenzte Auswahl mit eingeschränktem THC-Gehalt verfügen? Viel wahrscheinlicher ist, dass sie es nach wie vor bei ihrem örtlichen Dealer zu kaufen versuchen, bei dem sie es immer gekauft haben, obwohl es illegal war. Ist die Änderung so durchgreifend, dass sie die gewünschte Auswirkung hat? Wir werden sehen. Wenn die uruguayische Regierung es schafft, wirklich hochwertiges Cannabis anzubieten, kann das den Ausschlag geben. Das sollte sie auf jeden Fall versuchen.

Ich behaupte nicht, dass ich es erwartet habe, und es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung! Aber die Regelungen sind so problematisch, dass sie wahrscheinlich keinen Erfolg haben werden. Warten wir mal ab, wie es weitergeht.

Und die USA?

In den Vereinigten Staaten haben wir eine ähnliche Situation. Eine tolle Entwicklung, aber ich will mich lieber nicht zu früh freuen. Ich finde, man sollte es sich nicht zu leicht machen und voreilig jubeln: „Oh halleluja, jetzt haben wir medizinisches Cannabis, das machen sie bestimmt nie mehr rückgängig. Es wird bald legal sein, warte nur …“. Ich bin einfach noch nicht restlos überzeugt. Ich würde mich ja gerne irren, aber ich sehe auch, wie leicht die Regelungen wieder rückgängig gemacht werden können. Rechtlich hat sich nämlich nichts Grundlegendes geändert; Cannabis wird immer noch in Kategorie 1 aufgeführt [es ist im Betäubungsmittelgesetz als Droge der Kategorie 1 aufgelistet – Anm. d. Verf.].

Dennoch gibt es natürlich Grund zur Hoffnung. Den hat es auch in früheren Jahren schon gegeben. Aber so lange ich zurückdenken kann, gab es immer wieder Zeiten, in denen wir alle in Feierlaune waren – „Wow, jetzt passiert es endlich“ -, und eine Woche oder einen Monat später gab es einen Rückschlag, oder die Änderung konnte nicht durchgesetzt werden. Und alles ging so weiter wie vorher. Man muss pragmatisch sein, ohne die Hoffnung aufzugeben, und einfach weitermachen.

Und wenn sich tatsächlich was ändert, dann müssen die Vereinigten Staaten die Anführer dieses Wandels sein. Denn sie waren schließlich auch für die weltweite Unterdrückung von Cannabis verantwortlich   und haben allen anderen Ländern ihren Standpunkt aufgezwungen. Solange sie also nichts ändern … Der Wandel muss von oben nach unten durchgesetzt werden. Eine eindeutige Änderung des Bundesgesetzes in den USA – das wäre ein echter Durchbruch.

Wie siehst du die Zukunft des Unternehmens als Ganzes?

Gio Dronkers schauen weg von der kamera und lächelnd
Gio Dronkers hat im Jahr 2004 das Sensi Seeds Team verstärkt.

Es ist offensichtlich, dass es in einer dynamischen und rapide verändernden globalen Industrie sehr schwer zu sagen ist, wo wir in fünf Jahren sein werden, aber wir sind ausgesprochen optimistisch. Wir hoffen, dass die neue Fabrik für Hanfanbau und -verarbeitung, die wir in Rumänien bauen, ein voller Erfolg wird; letztes Jahr hatten wir bereits eine gute Ernte, es sieht also recht vielversprechend aus. Da das Interesse an Industriehanf wieder zunimmt, rechnen wir damit, dass HempFlax künftig erfolgreicher sein wird als je zuvor. Unser Museum in Spanien wird im „TripAdvisor“ (Reiseratgeber) zu den Top Ten der Museumsattraktionen in Barcelona gezählt; wir hoffen, dass es in fünf Jahren zur Nummer eins geworden ist. Außerdem wird das Museum in Amsterdam in den nächsten zehn Jahren hoffentlich noch erfolgreicher sein als in den vergangenen zwanzig Jahren. Und schließlich hoffen wir, dass Sensi Seeds dann noch größer sein wird als heute. Das erste multinationale Unternehmen für Hanf und Cannabis! Und das Schöne daran ist: Seitdem wir uns wieder auf die Pflanze zurückbesinnen, sind uns die Inspirationen nie ausgegangen. Es gibt noch so viel zu tun!

Besonders inspirierend finde ich auch das Sensi-Team. Ich bin sehr stolz auf die große Zahl der Mitarbeiter in unserem Unternehmen – unglaublich, wie stark es inzwischen gewachsen ist. Ich behaupte gar nicht, dass der Erfolg mir zu verdanken wäre oder so etwas, aber ich bin doch stolz, Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein. Das Unternehmen ist keineswegs bloß ein Job, sondern ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Es ist wirklich ein Vergnügen, gemeinsam mit dem Team Erfolge zu erzielen; ich bin stolz auf das gesamte Team.

Vielen Dank für deine Zeit und das Gespräch, Gio!

Jederzeit gern!

Wir hoffen, Ihnen hat die erste Interviewserie mit einigen Mitgliedern der Familie hinter Sensi Seeds gefallen. Ihre Geschichten sind der Beweis dafür, dass man mit Einsatz, Leidenschaft und Ausdauer etwas bewegen und helfen kann, dass die Dinge vorankommen!

Falls Sie die vorangegangenen Interviews verpasst haben, können Sie diese gern über die unten stehenden Links nachlesen:

Ben Dronkers
Alan Dronkers
Ravi Spaarenberg

#growonsensi

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    Das Sensi Seeds Redaktionsteam besteht aus Botanikern, medizinischen und juristischen Experten sowie renommierten Aktivisten wie Dr. Lester Grinspoon, Micha Knodt, Robert Connell Clarke, Maurice Veldman, Sebastian Marincolo, James Burton und Seshata.
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