Warum die Verschwörungstheorien rund um Cannabis Unsinn sind

Ein Cannabisblatt und ein Paar Handschellen

Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass hinter der weltweiten Ächtung von Cannabis geheime und dunkle Mächte stehen. Aber für eine weltweite Cannabis-Verschwörung gibt es keine Beweise. Hinter dem Verbot steckt der latente Rassismus Europas und Nordamerikas und keine wirtschaftlichen Interessen, wie etwa der Cannabisaktivist Jack Herer behauptet.

Um das Cannabis-Verbot zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten, wurden in den vergangenen 100 Jahren viele Unwahrheiten verbreitet, die jetzt nach und nach als solche entlarvt werden. Menschen, denen dieses Lügengerüst aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen offenbar wurde, misstrauen selbst den seriösesten Vertretern aus Politik und Medien, wenn das Thema auf die politische Tagesordnung kommt.

Da es wenig rational nachvollziehbare Gründe für das anhaltende Verbot gibt und der Prohibition eine zugegeben ungewöhnliche Ereigniskette zugrunde liegt, vermuten manche eine Verschwörung von Konzernen und Politik oder anderen Interessengruppen hinter dem Verbot.

Keine Fakten

Ähnlich wie bei anderen Verschwörungstheorien, etwa den angeblichen Nazi-Flugscheiben in der Arktis, der Hohlerden-Theorie oder der US-Erdbebenmaschine in Japan entbehrt der weltweiten Cannabis-Verschwörung die Grundlage.

Denn auch Verschwörungstheorien rund um Cannabis enden dort, wo die meisten dieser abstrusen Gedankengänge hinführen: Eine Minderheit – wahlweise Reiche, Arme, verschiedene Glaubensrichtungen, Liberale, Politiker, Parteien, Schwule, Lesben oder Abtreibungsbefürworter – hat sich gegen das Wohl der Menschheit verschworen. Wer etwas anderes glaubt, lebt in einer Scheinwelt und wird unbewusst ferngesteuert.

Das Cannabis-Verbot kann durchaus als einer der größten Jahrhundert-Irrtümer gesehen werden, doch anders als Jack Herer in seinem Buch „Des Kaisers neue Kleider“ behauptet, fehlen sämtliche Beweise zum Beleg einer Cannabis-Verschwörung.

Die Entzauberung der Cannabis-Verschwörung

Jack Herer hält eine Cannabisknospee in sein Gesicht

Laut Herer haben amerikanische Großkonzerne wie DuPont oder der Medienmogul William R. Hearst aus wirtschaftlichen Interessen am Cannabis-Verbot mitgewirkt. Dr. Dale Gieringer, der sich im Aufsichtsrat von NORML für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, entzauberte die Verschwörungstheorie Herers von geheimen Absprachen amerikanischer Großkonzerne und Politik bereits im Jahr 2008.

Leider werden einige der zweifelhaften Behauptungen Herers immer noch als Teil der Wahrheit betrachtet. Dr. Gieringer prüfte Herers Quellen kritisch und wies gleichzeitig auf die wahren, rassistisch motivierten Hintergründe der weltweiten Cannabis-Prohibition.

„Herer, ein etwas streitsüchtiger ehemaliger Cannabispfeifen-Verkäufer, verdient eine Menge Anerkennung für seinen Cannabis-Aktivismus. Er war in den späten 1980er Jahren ein engagierter Grassroots-Agitator für die Cannabis-Legalisierung, der wohl Cannabis feindlichsten Zeit in der jüngeren Geschichte … Leider liegt er bei dieser speziellen Angelegenheit völlig falsch. Die Beweise für eine „Hanf-Verschwörung“ sind einfach nicht haltbar. Es ist viel wahrscheinlicher, dass Marihuana aus rassistischen Gründen und einem kulturellem Überlegenheitsgefühl heraus verboten wurde.“

Gieringer führt zahlreiche Zeitungsartikel der 1930er bis 40er Jahre an, die den vornehmlich rassistischen Charakter der Anti-Cannabis-Kampagne untermauern. Er beweist schlüssig und nachvollziehbar, dass hinter dem Verbot nationale und internationale politische Interessen stehen.

Harry J.  Anslinger, der als erster „Drogenzar“ in die Geschichte eingegangen ist, bestätigt die Argumente Gieringers. In seinem autobiografischen Buch „The Murderers“ und in verschiedenen Interviews gesteht er ein, dass seine Reefer-Madness-Kampagne der Durchsetzung politischer Interessen der äußeren Rechten diente.

Cannabis-Prohibition – ein Blick zurück

Ein Poster für "Reefer Wahnsinn" mit einem Teufel auf der Vorderseite

Unterstützt von Südafrika und der Türkei, stellte Ägypten 1925 an der Opiumkonferenz in Genf den Antrag, Cannabis in die Liste der zu kontrollierenden Stoffe aufzunehmen. Der deutsche Autor Tilmann Holzer schildert in seinem Werk „Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene“, dass Cannabis zu dieser Zeit ökonomisch viel zu unbedeutend war, um Grund einer internationalen Verschwörung zu werden.

Ägypten und Südafrika hatten rassistisch motivierte Gründe, Cannabis auch international ächten zu lassen, nachdem es in diesen beiden Ländern auf nationaler Ebene bereits verboten war. Das Deutsche Reich stimmte nach anfänglichem Zögern dem Bann von „Indischem Hanf“ nur zu, um im Gegenzug weiterhin deutsches Heroin zu „medizinischen“ Zwecken nach Ägypten exportieren zu dürfen.

Als Anslinger zwei Jahre nach der Opiumkonferenz begann, die Reefer-Madness-Kampagne zu lancieren, bediente er sich den rassistischen Ressentiments seiner weißen Landsleute, doch andere Länder hatten das Verbot bereits schneller und konsequenter umgesetzt. Als die USA 1935 den Marihuana Tax Act einführte und Cannabis so auch aus den Regalen der Apotheken verschwand, war Cannabis in vielen Ländern Europas und den jeweiligen Kolonien längst verboten, um ethnische Minderheiten und deren Gewohnheiten zu kontrollieren.

Griechenland hatte Cannabis sogar schon 1890 verboten, also fast ein Vierteljahrhundert vor der ersten internationalen Ächtung im Rahmen der Genfer Opiumkonferenz. Als orthodoxe Griechen Anfang des 19. Jahrhunderts während des Unabhängigkeitskriegs aus dem Osmanischen Reich flüchteten, haben sie ihre Tradition des Haschischkonsums mitgebracht ins gerade neu entstandene Griechenland. Aufgrund „der direkten Bedrohung, die er (der Hanf) für die Gesellschaft bedeutet“, wurde die verhasste, osmanische Tradition für illegal erklärt. Auch hier haben weder internationale noch wirtschaftliche Interessen, sondern ein politisch-kulturell motivierter Nationalismus und der offene Hass gegen alles Türkische die entscheidende Rolle gespielt.

Die Reefer-Madness

Ein Poster für "Reefer Wahnsinn" mit einer Frau und einem Mann rauchen

Die Reefer-Madness-Kampagne in den USA war, genau wie die zeitgleichen Verbote in anderen Ländern, politisch, rassistisch und kulturell motiviert. Wirtschaftliche Interessen spielten allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Mit wenigen Ausnahmen hat die freie Wirtschaft heute ohnehin kein Problem mit legalem Cannabis. Angesichts der Chance eines kommenden Milliardenmarktes reiben sich internationale Konzerne bereits die Hände.

Komplexe Zusammenhänge statt Schwarz-Weiß-Malerei

In Deutschland weiß man aufgrund der eigenen Geschichte nur allzu gut, dass Rassismus und radikaler Nationalismus ganz ohne internationale Verschwörung oder Kartelle, kanalisiert und alsdann gegen sogenannte Volksfeinde funktionalisiert werden können. Die rassistische Motivation des weltweiten Cannabis-Verbots unter dem Deckmantel der Drogenbekämpfung lässt sich heute, anders als die Verschwörungstheorien, anhand zahlreicher historischer Quellen gut belegen.

Der Cannabis-Rassismus ist übrigens immer noch hochaktuell. Dazu braucht man nur einen Blick in die Gefängnisse zu werfen, wo ethnische Minderheiten überproportional vertreten sind. In Großbritannien ist die Wahrscheinlichkeit als Schwarzer von der Polizei auf Cannabis kontrolliert zu werden, noch immer achtmal höher als bei anderen Ethnien.

Auch wenn die fast einhundertjährige Geschichte des Cannabis-Verbots vielen wie eine Verschwörung von Pharmakonzernen, Papier- und Alkoholindustrie erscheinen mag, ist die Beweislage insgesamt mehr als dürftig. Die Akzente wurden immer aus politischen Beweggründen gesetzt und eine ökonomische Anti-Cannabis-Lobby hat sich selbst in den USA bis heute nie erfolgreich organisiert. Seit dem Erdölboom im 20. Jahrhundert war Hanf als Rohstoff wirtschaftlich gesehen einfach nicht mehr wichtig genug.

Die Idee einer Hanfverschwörung lenkt zudem ab von der echten, politisch und rassistisch durchsetzten Motivation des Krieges gegen Cannabis. Ein einfaches  „Gut-gegen-Böse-Szenario“ verstellt den Blick auf die wahren Hintergründe der Prohibition und ihre komplexe, historische Entwicklung. Nicht das politische System, sondern der latente Rassismus westlicher Gesellschaften hat die Prohibition erschaffen.

Die Angst vor allem Fremden und Neuem verhindert seit über 100 Jahren eine evidenzbasierte Cannabispolitik.

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Autor

  • Michael_Knodt

    Michael Knodt

    Der in Berlin lebende Michael Knodt hat sich auf Journalismus im Zusammenhang mit Cannabis und Hanf spezialisiert. Im Laufe der Jahre hat er für verschiedene deutsche und englische Magazine, darunter das Vice-Magazin, ausführlich über das Thema geschrieben. Michael ist das Gesicht und der Moderator von DerMicha, dem beliebten deutschen YouTube-Kanal über Cannabis und dessen Prohibition.
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