Cannabisanbau in Südfrankreich

Cannabis-Pflanzen, die draußen wachsen

Seit den 70er-Jahren haben Marihuanazüchter in den Pyrenäen einen Zufluchtsort gefunden. Die Ankunft der Hippies (derjenigen, die das Landleben wählten und das kapitalistische System ablehnten), die von ihren Reisen nach Kathmandu oder Marokko Marihuanasamen mitgebracht hatten, veränderte das Gesicht der Pyrenäen so sehr, dass sie in Anlehnung an das Rif-Gebirge (ein wichtiges Hanfanbaugebiet) in Marokko den Spitznamen „Pyrenees Rif Mountains“ erhielten.

Cannabis-Pflanzen wachsen auf einem Balkon
Immer mehr Menschen bauen Cannabis in Wohnungen, Kellern, Gärten und auf Balkonen an.

Seit den 70er-Jahren haben Marihuanazüchter in den Pyrenäen einen Zufluchtsort gefunden. Die Ankunft der Hippies (derjenigen, die das Landleben wählten und das kapitalistische System ablehnten), die von ihren Reisen nach Kathmandu oder Marokko Marihuanasamen mitgebracht hatten, veränderte das Gesicht der Pyrenäen so sehr, dass sie in Anlehnung an das Rif-Gebirge (ein wichtiges Hanfanbaugebiet) in Marokko den Spitznamen „Pyrenees Rif Mountains“ erhielten.

Heutzutage handelt es sich bei diesen Züchtern nicht mehr um Randgruppen oder Hippies, sondern um Bürger, die in die Gesellschaft integriert sind, Bauern, Lehrer, Krankenschwestern, Busfahrer, Computerspezialisten etc. Der Gebrauch und der Genuss von Marihuana überbrücken soziale Klüfte und sein Anbau ist mittlerweile so weitverbreitet, dass er für einige Leute von einer Leidenschaft oder einem Hobby zu einem lukrativen Geschäft geworden ist. Die Pflanzen werden an den ungewöhnlichsten Orten gezüchtet und Marihuana wird gegenwärtig nicht mehr ausschließlich in abgelegenen Berggebieten, sondern auch in städtischen Zonen kultiviert.

Kürzlich bemerkten Polizisten in Südfrankreich bei einer Verkehrskontrolle auf einem Kreisverkehr „einen merkwürdigen Geruch“. Wie sich herausstellte, kam dieser Geruch von Cannabispflanzen, die im Inneren des Kreisverkehrs angebaut waren. In Appartements, in Kellern, in Parks oder an anderen öffentlichen Plätzen … überall wird Cannabis gezüchtet. Jedes Jahr sieht man die Pflanze auf mehr Grundstücken und in mehr Blumenbeeten in ganz Frankreich. Nach Aussage von Drogenbekämpfungsexperten befinden sich die meisten Plantagen im Süden Frankreichs, besonders in den Regionen Midi-Pyrénées, Languedoc-Roussillon und Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Eine zunehmend lohnende illegale Tätigkeit

Nicolas, Lehrer von Beruf, bestätigt: „Ich bin kein Drogendealer, ich züchte Cannabis in meinem kleinen Garten für den Eigenbedarf. Was ich nicht brauche, verkaufe ich an Freunde. Ihnen mache ich damit eine Freude und mir hilft es, in dieser Krisenzeit, über die Runden zu kommen.“ Es ist ganz einfach, der Durchschnittsbürger baut für den persönlichen Gebrauch an, aber schöpft auch finanzielle Vorteile aus dieser Tätigkeit. Der Kunsthandwerker Benoit erklärt: „Dieses Jahr habe ich Arbeit, aber die Bezahlung reicht nicht aus. Ich selbst habe vor zwei Jahren aufgehört zu rauchen, züchte allerdings nach wie vor Marihuana. Jetzt will ich mir von dem Gewinn, den ich daraus erwirtschaftet habe, ein Schwimmbad bauen lassen.“ Marcel, der schon seit 15 Jahren Marihuana kultiviert, fügt hinzu: „Ich will schon seit zwei Jahren keinen Cannabis mehr anpflanzen, aber das Leben ist so schwierig geworden, dass ich nicht auf dieses illegale Einkommen verzichten kann.“

Die Hippies, die in den Kommunen in den Pyrenäen leben, haben ihre Aktivitäten professionalisiert. Einige haben maffiaähnliche Netzwerke gebildet und in verlassene Hallen und Gewächshäuser investiert. Andere suchen die Verbindung mit immer neuen Schiffskapitänen. Sie bezahlen ihnen beispielsweise einen Betrag für ihre Genehmigungen und Segelschiffe, um die Lieferkontinuität aus Marokko sicherzustellen. Verschiedene Züchter erzählen, dass sie in Marokko gewesen sind, um von den Bauern im Rif-Gebirge zu lernen. Dort erfahren sie, wie sie hybride Sorten züchten können, um besseres Haschisch für den europäischen Markt herzustellen.

In Frankreich steigen die Preise für Marihuana und Haschisch konstant an. Mit den höheren Ölpreisen wird auch der Transport für die Drogenhändler teurer und die Risiken nehmen zu. Diese Tätigkeit wird allerdings nicht durch die Krise beeinflusst. Im Gegenteil, wenn der Franzose einen Anfall von Pessimismus erleidet, konsumiert er tendenziell sogar mehr Drogen. Normalerweise bezahlt man zwischen vier und sechs Euro für ein Gramm Haschisch und fünf bis zehn Euro für dieselbe Menge Marihuana. In einigen Städten mit einem hohen Prozentsatz von Studenten, wie beispielsweise Toulouse und Montpellier, kann der Preis für ein Gramm Marihuana bis zu vierzehn Euro betragen. Die Dealer reiben sich die Hände und man kann regelmäßig in der Zeitung lesen, dass Cannabisplantagen bei jungen Leuten zuhause aufgedeckt wurden.

Nach dem französischen Gesetz werden die unbedeutenden Züchter als Dealer eingestuft und können mit einer Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Haft oder einer Geldbuße von bis zu 7.500.000 Euro geahndet werden. Seit die Mitte-Rechts- Partei Union pour un Mouvement Populaire (UMP) in Frankreich an die Macht gekommen ist, wurden die Bußgelder erhöht, ganz besonders im Zusammenhang mit Verkehrsübertretungen. 2003 entschied sich Minister D. Perben anlässlich eines Unfalls, bei dem ein neunjähriges Mädchen getötet wurde, für eine Verschärfung des Gesetzes. Gleichzeitig begann die willkürliche Durchführung von Tests auf Cannabis. Bei Unfällen mit Personenschaden ist der Drogentest mittlerweile obligatorisch. Die Strafen für das Fahren unter Einfluss von Cannabis liegen bei zwei Jahren Haft und 4.500 Euro.

Demokratisierung des Cannabisanbaus

Ein wachsendes Zelt für wachsende Pflanzen in einer Wohnung
Ungefähr 400 Läden haben sich auf den Verkauf von Materialien für den Anbau in der Wohnung spezialisiert.

Michael, 34, erläutert: „Wissen Sie, in den 90ern gab es ein paar Leute die Gras aus holländischen Samen züchteten, das Internet steckte noch in den Kinderschuhen und Informationen über Anbautechniken und Wissenswertes über Marihuana bekam man nur von Leuten, die in Amsterdam Samen gekauft hatten. Die Texte über Zuchtmethoden mussten aus dem Englischen übersetzt werden. Heutzutage überquert man die spanische Grenze und in weniger als einer Stunde kann man die Samen oder Ableger kaufen, die das Herz begehrt.“ Es gibt natürlich auch die Internetseiten, auf denen jeder, der eine Kreditkarte hat, die Samen mit einem Mausklick kaufen kann. In letzter Zeit wurden in Frankreich trotz der behördlichen Schwierigkeiten eine Menge „Grow Shops“ eröffnet. Die Betreiber haben Gesetzeslücken entdeckt, um ihre Shops in den großen Städten anzusiedeln. Es gibt jetzt schon ungefähr 400 Shops, die sich auf den Verkauf von Materialien spezialisiert haben, mit denen man Pflanzen mühelos in einem Appartement anbauen kann. Die Geschäfte erfreuen sich so großer Beliebtheit, dass immer eine Schlange vor der Tür steht. Christophe, Verkaufsassistent in einem Grow Shop in Südfrankreich, hat mir erzählt, dass ganz unterschiedliche Leute daheim Cannabis züchten. Von Eltern mit kleinen Kindern bis zu Studenten, für die die Cannabiskultivierung ein neues Hobby ist. „Am absurdesten sind vielleicht noch diese Typen mit Bart, die aus den Nachbarstädten kommen. Sie erzählen groß rum, dass sie nicht rauchen, aber investieren riesige Beträge in professionelle Materialien, um Cannabis im Keller ihres Hauses anzubauen.“

Die Jugendlichen, die ihren ersten Joint wie eine Art von Initiationsritual rauchen und die erste eigene Pflanze versteckt vor neugierigen Blicken heranziehen, werden immer jünger. Ob sie guerillaähnliche Außenzuchttechniken anwenden, oder ihre Pflanzen zuhause im Schrank züchten, immer mehr Menschen weigern sich, ihr Haschisch in zwielichtigen Stadtteilen von Dealern zu kaufen. Michel, ein 38-jähriger Musikant, sagt: „Ich versuche nicht mehr auf der Straße zu kaufen. Ich will diesen Leuten mein Geld nicht geben. Wenn ich kein Gras mehr habe, höre ich lieber auf zu rauchen.“ Die Cannabiszucht demokratisiert sich also und es werden immer mehr unterschiedliche Methoden eingesetzt. Einige Leute, wie Jerôme, setzen Ableger ein, die sie von Freunden gekauft haben. „Dann weiß man wenigstens, dass man gute Qualität hat. Keine Entartung aufgrund von schlecht stabilisierten Samen. Ich gebe ihm fünf Euro für einen Ableger und mit zwanzig Pflanzen habe ich genug Cannabis für das ganze Jahr.“ Andere überqueren regelmäßig die Grenze und geraten in Verzückung, wenn sie den neuen Katalog für Samen durchblättern. José, Verkaufsassistent in einem Grow Shop, sagt: „Früher haben sie Zigaretten und Ricard gekauft. Heutzutage legen sie ganz selbstverständlich auch Cannabissamen und Dünger in den Einkaufskorb.“

Guerrilla Anbau

Jedes Jahr zwischen März und April bereitet jeder seine Kultivierungsmethode vor. Man sucht nach einem Stück Land an einem abgelegenen Flussbett, im Garten oder auf dem Balkon von Freunden. Sogar in besonders trockenen und schwer zugänglichen Gebieten, erfinden die Züchter Systeme, um eine gute Ernte zu erhalten. Sie benutzen beispielsweise Wassersäcke oder bauen Wassertanks. Das Klima in den Pyrenäen ermöglicht eine Anpflanzung im März. Manche Züchter bereiten zuhause in einem Schrank Ableger vor und setzen sie Mitte Mai nach draußen, sodass die Pflanzen nicht blühen. Andere lassen die Samen keimen und pflanzen sie später im Monat draußen ein. Die Züchter können jetzt seit zwei Jahren selbstblühende Samen kaufen. Der 33-jährige Jean, der schon zeit zehn Jahren Cannabis züchtet, meint: „In Zukunft kann man zwei- oder dreimal im Jahr ernten. Man pflanzt im März selbstblühenden Samen und kann die Pflanzen Ende Juni einbringen. Im April pflanzt man die gewöhnlichen Marihuanasamen, die im Oktober geerntet werden können und schließlich kann man im November noch die späten Sorten einfahren, wie Super Silver Haze oder hawaiianischen Haze.“

Eine Cannabis-Pflanze, die draußen wächst
Guerrilla-Anbau

Die Guerilla-Außenzucht wird allerdings zu einem immer riskanteren Geschäft, denn es gibt stets mehr Diebe in diesem Bereich. Einige Züchter bewachen ihre Pflanzen im letzten Monat der Blüte. Dieses Jahr hat ein Züchter zwei Männer dabei erwischt, die in seine Plantage eingedrungen sind. Er hat einen der beiden erschossen und die Leiche auf dem Seitenstreifen einer Autobahn entsorgt. Manchmal werden sogar Pflanzen geraubt, die nicht draußen angebaut werden. Kürzlich haben zwei vermummte und bewaffnete Eindringlinge Thomas einen Besuch in seinem Appartement abgestattet. Sie haben seine gesamte Ernte im Wert von ungefähr 20.000 Euro mitgehen lassen.

Die Innenzucht wird immer gebräuchlicher. Das beweist die Tatsache, dass seit zwei Jahren immer wieder große Ernten in Südfrankreich gefunden wurden. 2011 wurden mehr als 600 Pflanzen in einer Lagerhalle in Nîmes entdeckt und 700 in Montpellier. Jede der Plantagen bringt pro Jahr ungefähr eine Tonne Marihuana ein, das sind fast 1,5 Millionen Euro Gewinn. Ein Analytiker der Französischen Zentralstelle für die Bekämpfung illegalen Drogenhandels sagt: „Es ist nicht teuer, diese Cannabisfabriken aufzubauen und sie erwirtschaften Gewinne, die 40 Mal höher sind als die Investition.“ Die Polizei ist erstaunt darüber, wie professionell diese Cannabisplantagen geführt werden. Es scheint, als würde die Zucht von Cannabis für den persönlichen Gebrauch den Weg ebnen für eine Vorgehensweise, die sehr an industrielle Landwirtschaft erinnert, welche mit kriminellen Mitteln organisiert wird.

Laut David Weinberger vom Institut National des Hautes Études de la Sécurité et de la Justice (INHESJ): „Diese neue Sorte Marihuana, ‚Made in Europe’ hat sich in Frankreich schon extrem etabliert. Sie beginnt eine echte Konkurrenz für das marokkanische Haschisch zu werden.“ Französisches Marihuana kommt dabei im Markt am häufigsten vor. Ungefähr 47,7 % der Konsumenten rauchen Gras, das ihrer Meinung nach in Frankreich gezüchtet wurde. Heutzutage macht Marihuana 40 % des französischen Gesamtverbrauchs aus, während Mitte der 90er-Jahre der Markt zu 90 % von Haschisch dominiert wurde.

Aus politischer Perspektive fließt die Debatte über die Legalisierung in Frankreich in den Diskurs der linken Parteien mit ein. Dieses Jahr hat Ex-Minister Daniel Vaillant eine Studie über die kontrollierte Legalisierung in Bezug auf die Beschlagnahmung und Herstellung von Marihuana veröffentlicht. Darin kritisiert er den Misserfolg der Repressionspolitik und deren Kosten für die Gesellschaft (3 Millionen Euro pro Jahr). Nach Meinung von Vaillant wäre eine Legalisierung das beste Mittel, um das organisierte Verbrechen zu bekämpfen und hochwertige Produkte zu garantieren. Wir werden bis zu den nächsten Wahlen warten müssen, um zu erfahren, ob der linke Flügel bereit ist, dieses Thema aufzugreifen.

Autor: Vincent Basset

  • Disclaimer:
    Die Gesetze und Vorschriften zum Cannabisanbau sind von Land zu Land unterschiedlich. Sensi Seeds rät Ihnen daher dringend, Ihre lokalen Gesetze und Vorschriften zu befolgen. Handeln Sie nicht im Widerspruch zum Gesetz.

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