Hanf und die Dekontamination von radioaktivem Boden

Ein Hanfsämling, der vom Boden und einem radioaktiven Zeichen wächst

Hanf wird seit fast zwanzig Jahren für Bodendekontaminationsprojekte eingesetzt. 1998 hatten die im Sperrgebiet um Tschernobyl arbeitenden Wissenschaftler damit begonnen, Hanf wegen seiner Fähigkeit zur Aufnahme von toxischen Schwermetallen wie Strontium und Cäsium einzusetzen. Heute erobert diese Praxis die ganze Welt.

Hanf und das Phytoremediationsprojekt von Tschernobyl

Seit fast zwei Jahrzehnten hat der Anbau von Industriehanf in der Umgebung des stillgelegten Kernkraftwerks Tschernobyl in Prypjat (Ukraine) zur Verminderung der Bodentoxizität beigetragen.

1990, nur vier Jahre nach der Explosion, baten die damaligen sowjetischen Behörden die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA), die Situation der Umwelt zu untersuchen. Im 30 km-Sperrgebiet um Tschernobyl waren sowohl im Boden als auch im Gewebe von Pflanzen und Tieren hohe Konzentrationen verschiedener toxischer Metalle gefunden worden; einschließlich Blei, Cäsium-137, Strontium-90 und Plutonium.

Als Gegenmittel beschloss man, durch einen Anbau nützlicher Pflanzen gemeinsam zu versuchen, die Kontamination des Bodens zu verringern. Dieses Verfahren, das als Phytoremediation bezeichnet wird, wurde nahezu umgehend in Gang gesetzt.

Eine Person, die eine Hanfanlage in einem Hanffeld zeigt

Welche Pflanzen eignen sich für die Phytoremediation?

In Tschernobyl wurden verschiedene Pflanzen aufgrund ihrer Fähigkeit zur Aufnahme von spezifischen Kontaminationsstoffen (Schadstoffen) eingesetzt. Zunächst waren es zwei Brassica-Sorten (Kohl) zur Beseitigung von Chrom, Blei, Kupfer und Nickel sowie Mais zur Aufnahme von Blei (diverse Studien haben die hervorragende Fähigkeit dieser wichtigen Ackerpflanze bewiesen, Blei zu absorbieren). In jüngerer Zeit wurden auch Sonnenblumen und Hanf angebaut.

Der Anbau von Sonnenblumen begann 1996, im Anschluss an die Entwicklung einer Sorte, die eine bis dahin noch nie da gewesene Effizienz bei der Dekontamination versprach. Der Hanfanbau folgte 1998, also nicht lange danach. Slavik Dushenkov, ein Wissenschaftler bei Phytotech, einem der für den Hanfanbau verantwortlichen Unternehmen, stellte dazu fest, dass „Hanf sich als eine der besten phytoremediativen Pflanzen erwiesen hat, die wir finden konnten”.

Nicht nur die Ukraine, sondern auch ländliche Gegenden im benachbarten Weißrussland waren vom Unfall in Tschernobyl betroffen. Auch die dortigen Behörden erwogen den Einsatz von Hanf als Dekontaminationspflanze. Es ist aber nicht bekannt, ob jemals Programme in Verbindung mit Hanf durchgeführt wurden.

Verlassener Vergnügungspark in Tschernobyl
Das Sperrgebiet um Tschernobyl, Schauplatz des schwersten Atomunfalls der Welt, beginnt sich allmählich zu erholen, da Pflanzen und Tiere sich das Land wieder zurückerobern

Wo wird Hanf noch zur Phytoremediation angewendet?

Auch in Puglia (Italien) wird Industriehanf in großem Umfang eingesetzt, um die Dekontamination von einigen der am stärksten verseuchten Böden Europas zu unterstützen. Dort hatte das Ilva-Stahlwerk, das größte dieser Art in Europa, die örtlichen Böden, Pflanzen und Tiere sowie die menschlichen Bewohner jahrzehntelang durch toxische Emissionen vergiftet. In einem Radius von 20 km im Umkreis der Fabrik ist es daher verboten, Vieh weiden zu lassen.

Seit 2012, als das Ausmaß der Krise offenkundig wurde, haben die Bauern Millionen von Hanfpflanzen angebaut, um den Boden zu entgiften. In dieser Zeit wuchs die Anbaufläche von Hanf in dieser Region von 3 auf 300 Hektar. Heute bauen ca. 100 Bauern Hanf an, mit dem Ergebnis, dass sogar eine Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen eingetreten ist. Denn es konnte eine neue Hanfverarbeitungsfabrik eröffnet werden, um die Hanfernte in Fasern für Kleidung und Baumaterial zu verarbeiten.

Seit dem verheerenden Unfall, der 2011 im Kernkraftwerk Fukushima Dai-ichi stattfand, wurde wiederholt vorgeschlagen, auch in Japan die Phytoremediation mit Hanf zu betreiben. Doch aufgrund des Cannabis-Kontrollgesetzes, das Japan 1948 von der US-Besatzungsmacht aufgezwungen wurde, darf Hanf nur mit einer speziellen Lizenz angebaut werden, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird und schwer zu erhalten ist.

Ein paar Monate nach dem Unfall begannen die Einwohner Fukushimas, Millionen von Sonnenblumen sowie Ackersenf und Amaranth anzupflanzen, um damit zu versuchen, Cäsium und andere Toxine aus dem Boden zu entfernen. Auch die japanische Behörde zur Erkundung des Luft- und Weltraums begann 2011 einen Versuch mit Sonnenblumen, und seitdem haben mehrere Projekte Algen, Buchweizen und Spinat auf ihre Absorptionsfähigkeit hin untersucht. Hanf scheint dagegen bis heute noch nicht eingesetzt worden zu sein.

Erforschung von Hanf als Mittel zur Bodendekontamination

Es gibt umfangreiche Forschungsarbeiten, die sich mit dem Potenzial von Hanf als phytoremediative Pflanze befassen. Eine italienische Studie, die 2003 in Plant and Soil veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass Hanf die Fähigkeit zur Absorption von Cadmium, Chrom und Nickel aus dem Boden besitzt und dass hohe Konzentrationen dieser Schwermetalle die Morphologie der Pflanze kaum beeinflussen.

Tatsächlich „wurde ein Anstieg des Phytochelatin- und DNA-Gehalts während der Entwicklung“ der Hanfpflanzen festgestellt, was nahelegt, dass sie „Zellschäden durch eine Aktivierung verschiedener molekularer Mechanismen vermeiden können“.

2005 kam eine deutsche, in Biologia Plantarum veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, dass Hanf nicht einmal durch eine Cadmiumkonzentration in den Wurzeln von 800 mg/kg beeinträchtigt wird, dass aber Konzentrationen von 50 bis 100 mg/kg in den Blättern und Stengeln „einen starken Effekt auf die Lebensfähigkeit und Vitalität der Pflanze hatten”. Die Studie beobachtete außerdem, dass auch der ph-Wert des Bodens den Umfang der Cadmium-Absorption beeinflusst.

Und 2010 untersuchte eine chinesische Studie, inwieweit acht Pflanzen, darunter auch Hanf, zur Aufnahme von Zink fähig sind. Zink ist ein Schwermetall, das in geringen Mengen die Gesundheit fördert; in höheren Konzentrationen wirkt es jedoch potenziell phytotoxisch (giftig für Pflanzen).

Dieser Studie zufolge „konnten alle Pflanzen außer der Sonnenblume unter einer Belastung von 400 bis 800 mg/kg?1 Zn (Zink) gut gedeihen”. Hanf wies nur „geringe Beeinträchtigungen des Pflanzenwachstums“ auf, was „eine hohe Toleranz in Bezug auf hohe Zn-Konzentrationen“ anzeigte.

Ein altes Haus mit Vegetation um ihn herum
Wenn sich die Vegetation wieder auf ihren früher besiedelten Gebieten ausbreitet, kann die Verjüngung des Ökosystems durch die Hinzufügung von Arten unterstützt werden, die als effektive Extraktoren der im Boden enthaltenen Schwermetalle bekannt sind

Gentechnisch veränderte Hanfsorten für die Phytoremediation

Eine neuere pakistanische Studie aus dem Jahr 2015 identifizierte mehrere Gene im Hanf, die mit dessen Toleranz in Bezug auf Schwermetalle zusammenhängen, darunter auch Nickel, Cadmium und Kupfer. Diese Ergebnisse könnten zur Entwicklung von transgenen (gentechnisch veränderten) Hanfsorten mit einer verbesserten Fähigkeit zur Aufnahme von Schwermetallen beitragen.

Es gab auch schon einen Präzedenzfall für die Verwendung von genetisch verändertem Hanf bei Phytoremediationsprojekten. Denn 2017 hatte die University of Virginia eine Zusammenarbeit mit einem Biotechnologie-Unternehmen namens 22nd Century angekündigt, das „spezielle Hanfpflanzen entwickelt hat, die besonders gut für den Gebrauch in der Phytoremediation geeignet sind”.

Auch Phytotech, ein bei dem Tschernobyl-Projekt befasstes Biotechnologie-Unternehmen, hat dafür „speziell ausgewählte und manipulierte Pflanzen” verwendet. Es gibt aber offenbar kaum Informationen über die Entwicklung der dort eingesetzten Hanfsorten.

Es ist daher nicht bekannt, ob diese Sorten nur durch Züchtung mit genetischen Markern entwickelt wurden oder ob sie wirklich transgen sind (d.h. es sind Gene von einem Organismus in einen anderen transferiert worden). Sollte letzteres der Fall sein, ist auch nicht bekannt, welche potenziellen Implikationen damit einhergehen.

Wie kann Hanf aus kontaminierten Böden sicher konsumiert werden?

2012 untersuchte eine rumänische Studie die Lebensmittelsicherheit von Hanfsamen. Diese stammten von Pflanzen, die in Böden voller Cadmium, Magnesium, Eisen und diversen anderen Metallen angebaut wurden. Die Studie fand heraus, dass fünf unterschiedliche rumänische Hanfsorten verschiedene Nährwertprofile ausbildeten, je nach Aufnahme diverser Metalle aus dem Boden.

Es muss aber bedenklich stimmen, dass die Testergebnisse bei allen eingesetzten Sorten oberhalb des sicheren, legalen Grenzwertes für Cadmium lagen, obwohl sich der getestete Boden innerhalb des sicheren Bereichs befand. Besonders hohe Konzentrationen zeigten die Sorten Armanca und Silvana. Cadmium ist ein toxisches Schwermetall, das mehrere schwere Erkrankungen verursachen kann. Eine exzessive Aufnahme durch Nahrungsmittel kann beispielsweise zu Gelenk- und Knochendeformationen, Atemwegserkrankungen, Anämie oder Nierenversagen führen.

Doch 2009 wies eine weitere chinesische Studie nach, dass die Cadmiumkonzentration in den Hanfwurzeln 25 bis 29,5 Mal höher war als in den Trieben, und das „deutet darauf hin, dass die Pflanze als Cd-Ausscheider klassifiziert werden kann”.

Selbst wenn also der zur Entfernung von Cadmium aus kontaminierten Böden verwendete Hanf für den Verzehr nicht unbedenklich ist, können seine Fasern zur Herstellung von Textilien und Baumaterialien dennoch nützlich sein. Zudem kann Hanf-Biomasse für einige andere industrielle Anwendungen zum Einsatz kommen, zum Beispiel für Bio-Kraftstoffe.

Hanf könnte für Hunderte oder Tausende kontaminierter Orte nützlich sein

Als bewährtes, wertvolles Hilfsmittel bei dem Bemühen, die von Menschen verursachten Schäden an unseren Böden und Ökosysteme zu beseitigen, könnte Hanf für Hunderte oder Tausende Standorte mit verseuchten Böden weltweit von großem Nutzen sein. Allein in den USA gibt es schätzungsweise 30.000 Standorte, die saniert werden müssen.

Viele Jahre lang hat das Verbot des Hanfanbaus in den USA die Durchführung von größeren Sanierungsprojekten verhindert. Aber heute sind die Restriktionen für den Hanfanbau in vielen US-Bundesstaaten aufgehoben, und damit ist eine neue Situation entstanden.

Das Biotech-Unternehmen 22nd Century drückte es so aus: „Da allein in den Vereinigten Staaten über 30.000 Standorte saniert werden müssen, wird die Phytoremediation voraussichtlich ein wichtiger Geschäftsbereich für 22nd Century werden“.

Wir werden uns weiter mit diesem Thema befassen, und sobald neue Informationen vorliegen, werden wir darüber berichten.

  • Disclaimer:
    Die Gesetze und Vorschriften zum Cannabisanbau sind von Land zu Land unterschiedlich. Sensi Seeds rät Ihnen daher dringend, Ihre lokalen Gesetze und Vorschriften zu befolgen. Handeln Sie nicht im Widerspruch zum Gesetz.

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