Was geschieht, wenn man Nikotin und Cannabis mischt?

Eine Person, die ein Zigarettenpapier mit Mischung aus Tabak und Cannabis hält

Tabak und Cannabis pflegen eine seltsame Beziehung, die zwar turbulent ist, aber seit Jahrhunderten fortbesteht. Warum konsumieren so viele Menschen beides in Kombination? Wie bei der Cannabinoidwissenschaft üblich, ist die Wahrheit merkwürdiger als jegliches Hirngespinst.

Tabak und Cannabis werden seit Jahrhunderten von Menschen auf der ganzen Welt zusammen konsumiert. Tatsächlich geht man davon aus, dass bis zu 70 Prozent aller Cannabiskonsumenten ebenfalls Tabak konsumieren. Sogar in Nordamerika, wo Cannabis in der Regel pur konsumiert wird, verwenden viele Konsumenten auch Tabak.

Tatsächlich ist es in Nordamerika üblich, direkt nach dem Cannabiskonsum Zigaretten zu rauchen. Dies erzeugt aller Wahrscheinlichkeit nach ähnliche synergistische Effekte, wie das direkte Vermischen beider Substanzen (viele tun dies, um noch dichter zu werden).

Unterschiede in der Wirkungsweise sind reichlich dokumentiert

Viele Konsumenten berichten von subjektiven Unterschieden zwischen der Wirkung von purem Cannabis und Cannabis in Kombination mit Tabak.

Die am häufigsten genannte Wirkung des Cannabiskonsums in Verbindung mit Tabak ist eine Intensivierung des Highs, obwohl einige behaupten, dass der Konsum von Tabak genau das Gegenteil bewirkt und das High abschwächt wird. Auch wird häufig berichtet, dass der Mischkonsum die Konsumenten beruhigt und die manchmal angstauslösenden Effekte von Cannabis mildert.

Die biologischen Mechanismen hinter dieser seltsamen Beziehung sind äußerst komplex. Sie sind mit verschiedenen anderen Prozessen verbunden, von denen bekannt ist, dass sie miteinander verknüpft sind, von denen aber lange Zeit geglaubt wurde, sie hätten nichts miteinander zu tun. Je mehr wir über diese miteinander verknüpften Systeme von Belohnung, Verlangen, Sucht und Sättigung erfahren, desto mehr beginnen wir zu verstehen, dass jeder Aspekt unseres Gehirns und unseres Körpers untrennbar miteinander verbunden ist.

Cannabis, Tabak und der Hippocampus

Eine kürzlich veröffentlichte Studie korrelierte den langfristigen, schweren Cannabiskonsum mit dem reduzierten Volumen und der reduzierten Dichte des Hippocampus, einem Bereich des Gehirns, der mit Gedächtnisleistung, Hemmungen und Sucht verbunden ist.

Eine Illustration eines menschlichen Gehirns mit Hippocampus in gelber Farbe

Dies wurde auch in einer Studie aus dem Jahr 2011 nachgewiesen, obwohl auch festgestellt wurde, dass die Wirkung von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter das Verhältnis von THC zu CBD. Insbesondere war ein höherer THC-Wert und ein niedrigerer CBD-Wert mit einer Volumenverringerung im rechten Hippocampus verbunden. Dies weist auf neurotoxische Wirkungen von THC und neuroprotektive Wirkungen von CBD hin.

Mindestens eine weitere Studie konnte keine langfristige Veränderung feststellen und eine weitere Studie hat die Möglichkeit herausgestellt, dass genetische Unterschiede die Reaktion des Hippocampus auf Cannabiskonsum verändern könnten.

Diese Größenverringerung des Hippocampus wurde sowohl bei denjenigen, die Cannabis pur rauchen, als auch bei denen, die es in Kombination mit Tabak konsumieren, festgestellt. Sie wurde jedoch nicht bei Menschen beobachtet, die ausschließlich Nikotin konsumieren.

Bei denjenign, die Cannabis pur konsumieren, wurde festgestellt, dass ein kleiner Hippocampus mit schlechter Gedächtnisleistung korreliert. Dies ist wenig überraschend, da eine gute Gesundheit und Größe des Hippocampus positiv mit guter Gedächtnisleistung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen korreliert. Je kleiner also der Hippocampus, desto schlechter das Erinnerungsvermögen.

Forscher fanden allerdings auch etwas sehr Überraschendes heraus: bei der Gruppe der Mischkonsumenten verhielt es sich genau umgekehrt und ein kleineres Hippocampusvolumen korrelierte mit einem verbesserten Gedächtnis! Personen, die mehr Zigaretten rauchten, zeigten einen stärkeren Rückgang des Hippocampusvolumens bei relativ gesehen höheren Erinnerungswerten (obwohl die Gedächtnisleistung im Allgemeinen immer noch schlechter war als bei allen anderen Gruppen).

Während diese Studie bezüglich des Umfangs und der Konzeption limitiert war und Korrelationen, aber keine Ursachen herstellte, zeigt sie dennoch einen ungewöhnlichen und noch nicht vollständig erklärbaren Effekt. Es ist wichtig zu beachten, dass sie als Querschnittsstudie, die nur ein kurzes Zeitfenster in Betracht zieht, einer Längsschnittstudie unterlegen ist – dies ist eine Studie, die Probanden über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet, um Veränderungen besser erfassen und die Ursachen ermitteln zu können.

Wie alle wichtigen Regulierungs- und Signalisierungssysteme miteinander verknüpft sind

Es scheint nun so, dass Tabak, Cannabis und andere psychoaktive Substanzen wie Opioide in einem komplexen Netzwerk von Stimulus und Belohnung miteinander verknüpft sind, wobei der Hippocampus im Wesentlichen als Operationszentrale dient.

Im ganzen Körper, und besonders im Gehirn, haben wir Cannabinoidrezeptoren (die Teil des Endocannabinoid-Systems sind) sowie Opioid- und Nikotinrezeptoren. In Bezug auf das Gehirn ist die Dichte dieser Rezeptoren im Hippocampus und in der Amygdala extrem hoch (beide Bereiche werden stark mit Stimulus, Belohnung, Sucht und so weiter in Verbindung gebracht).

Die Agonisten (Aktivatoren) dieser drei Rezeptorentypen (von denen die bekanntesten THC für die Cannabinoidrezeptoren, Nikotin für die Nikotinrezeptoren und Morphium für die Opioidrezeptoren sind) sind für die psychoaktiven und physiologischen Effekte, die sie bewirken können, von großer Bedeutung. Tatsächlich sind auch Substanzen, die die Rezeptoren inaktivieren (wie CBD für die Cannabinoidrezeptoren und Naxolon für die Opioidrezeptoren), aufgrund ihrer gegenteiligen Wirkungen von großem Interesse.

Wie eng sind diese Systeme miteinander verknüpft?

Obwohl wir über diese Systeme seit Jahren Bescheid wissen, fangen wir erst jetzt an, das Ausmaß und die Komplexität der Verbindungen zu verstehen. Es ist schwierig, sie als getrennte Systeme zu betrachten, wenn man die unzähligen, sich kreuzenden Verknüpfungen berücksichtigt.

Werfen wir einen kurzen Blick darauf, wie sich diese Systeme gegenseitig beeinflussen können. Wir wissen, dass sich Nikotin auf die Opioid- (und möglicherweise Cannabinoid-) Rezeptoren sowie auf die Nikotinrezeptoren auswirkt. Mittlerweile wissen wir auch, dass eine subchronische Einwirkung von Nikotin die Zahl der CB1-Rezeptoren im Hippocampus erhöht und die Anzahl der striatalen CB-1 Rezeptoren verringert.

Opiate mit Spritze, Nadeln und Löffel

Wir wissen inzwischen auch, dass Substanzen, die die CB1-Rezeptoren blockieren, Menschen und Tiere dazu bringen können, das Verlangen nach Nikotin und Morphium abzustellen. So können Agonisten der CB1-Rezeptoren ein erhöhtes Verlangen nach Nikotin hervorrufen, was den häufigen Wunsch erklären kann, direkt nach dem Cannabiskonsum Zigaretten rauchen zu wollen, oder den gesteigerten subjektiven Grad der Zufriedenheit, der sich aus dem Mischkonsum von beidem ergibt.

Tatsächlich scheint es, dass wir, um überhaupt einen „belohnenden“ Effekt durch den Konsum von Zucker, Nikotin, Alkohol oder Kokain zu erzielen, die Cannabinoidrezeptoren aktivieren müssen. Werden sie nicht aktiviert, findet keine Freisetzung von Dopamin und ergo auch kein Freudenerlebnis statt!

Eine Frau, die eine Verbindung raucht und ein Glas Bier hält

Es scheint auch einen genetischen Faktor zu geben — Variationen im CNR1-Gen (das die Expression von CB1-Rezeptoren kodiert) sind mit Variationen in der Anfälligkeit für Nikotinabhängigkeit verbunden. Diese Assoziation findet sich bei weißen Frauen, aber nicht bei weißen Männern (weiße Menschen stellten die einzige in der Studie getestete Volksgruppe).

Was bedeutet dies alles nun?

Nun, wir sind noch weit davon entfernt, ein genaues Verständnis all der verschiedenen Prozesse zu entwickeln, die im Gehirn als Reaktion auf die Einführung psychoaktiver Substanzen auftreten.

Aber wir sind dabei, uns mit dieser enormen Komplexität auseinanderzusetzen und zu erkennen, dass die Erforschung von Drogenkonsum oder -missbrauch oder psychiatrischen Erkrankungen nicht isoliert durchgeführt werden kann. So können wir beispielsweise nicht mehr mit dem Finger auf Cannabis zeigen und das Aufkommen von Psychosen allein auf den Konsum dessen schieben, da wir nun genau wissen, wie viel Einfluss andere Faktoren wie Nikotinkonsum haben können.

Wir können dieses riesige und miteinander verknüpfte System nun als das betrachten, was es ist, und wir können differenzierte Urteile zu Einzelfällen ableiten, die auf einer viel breiteren und zusammenhängenderen Reihe von Faktoren, Einflüssen und Wechselbeziehungen beruhen.

Wie können wir dieses Wissen anwenden?

Die Wechselwirkungen zwischen Nikotin und THC sind komplex und äußerst abhängig von den Dosen. Sie sind zudem zweifelsohne von einer Vielzahl anderer Variablen abhängig, die der Wissenschaft entweder noch nicht bekannt sind oder erst allmählich bewusst werden.

Der Tabakkonsum wurde bei der Untersuchung der kognitiven und psychiatrischen Auswirkungen von Cannabis oft übersehen, obwohl Nikotin nachgewiesenermaßen eine eigenständige psychoaktive Substanz ist. Dieses Versäumnis scheint noch gravierender zu sein, wenn man bedenkt, dass das Rauchen von Zigaretten bei Patienten mit bestimmten psychiatrischen Erkrankungen, einschließlich Schizophrenie, extrem häufig vorkommt.

Mischung aus Tabak und Cannabis auf einem Zigarettenpapier

Tatsächlich beginnen jüngste Forschungen endlich, dieses Thema direkt anzugehen, und stellten wenig überraschend fest, dass Nikotin stark mit der Entwicklung von Psychosen zusammenhängt! Der Autor dieser jüngsten Studie, James McCabe vom King’s College London, schreibt zu Protokoll, dass „es sogar möglich ist, dass der wahre Übeltäter Tabak und nicht Cannabis ist“.

Nikotin ist im Allgemeinen gesundheitsschädlich und sollte vermieden werden. Die Untersuchung der Unterschiede zwischen Menschen, die Nikotin und Cannabis pur konsumieren, verglichen mit Mischkonsumenten hat uns jedoch einige wichtige Erkenntnisse über die Zusammenhänge der Signal- und Belohnungssysteme des Gehirns gebracht.

Dank dieser und anderer relevanter Forschungsarbeiten wissen wir heute, dass das Endocannabinoid-System stark an der Regulierung von Stimulus und Belohnung beteiligt ist und eine große Rolle bei der Sucht nach Substanzen wie Nikotin und Morphium spielt.

  • Disclaimer:
    Dieser Artikel stellt keinen Ersatz für eine professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung dar. Wenden Sie sich immer an Ihren Arzt oder eine andere zugelassene medizinische Fachkraft. Sie sollten wegen etwas, das Sie auf dieser Website gelesen haben, weder zögern, Ihren Arzt aufzusuchen, noch deswegen eine medizinische Beratung missachten.

Comments

2 Kommentare zu „Was geschieht, wenn man Nikotin und Cannabis mischt?“

  1. Die THC Forschung scheint mir sehr von der Haltung zum Konsum beeinflusst sein.
    Die Forscher kommen in verschiedenen Studien zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen.
    Ich persönlich glaube, dass die Wissenschaft gar nicht in der Lage ist die Auswirkungen auf Gefühle, Somatik, genetische Disposition, Charakter und Mentalität objektiv festzustellen.
    Es spielen soviele Faktoren eine Rolle. Wenn man sich die wie die Frequenzen eines Equalizers vorstellt dann brauch nur ein Regler verstellt zu werden und das Ergebnis verändert sich. Verschieben sich die Regler immer stärker. Aber wenn die Mischfrequenzen des Equalizers physikalisch aufgedröselt werden können so geht das bei gegeneinander unterschiedlich korrespondierenden Faktoren beim THC Konsum nicht.
    Ich bezweifle daher den Wert der verschiedenen Studien.

  2. LEGALISATOR Oliver Becker

    Ich sehe es genauso, das Nikotin bei Psychosen eine große Rolle spielt. Weiterhin ist zu bemerken, dass das Marihuana, welches heute auf dem Markt ist, fast ausschließlich aus Kunstlichtanbau stammt, bzw. selbst bei draußen angebautem Marihuana die Samen aus Kustlichtanbau stammen.

    In der Natur entsteht THC ausschließlich (in psychoaktiven Mengen) im Gebirge. Alle traditionellen Anbaugebiete liegen in den Bergen (Rif-Gebirge, Himalaya,..). Im Flachland entsteht kein THC (oder nur unter 0,3 %), weshalb Deutschland auch kein traditionelles Anbauland für Haschisch oder Marihuana ist.

    Ab Mitte der 80er Jahre kompensierten die Niederländer diese mit Lampentechniken, nur das mit Lampen (und CO²-Techniken)sozusagen ein Hochgebirgsklima von 5.000 bis 8.000 Meter simuliert wird, wo ujnter natürlichen Bedingungen keine Pflanze mehr wächst.

    Aus diesen Gründen sind die THC-Werte auf unnatürliche Art und Weise angestiegen, was meines Erachtens der Hauptgrund dafür ist, das Psychosen in Zusammenhang mit Cannabis entstehen.

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    Sanjai Sinha

    Dr. Sanjai Sinha ist Mitglied der akademischen Fakultät des Weill Cornell Medicine Colleges in New York. Er verbringt seine Zeit damit, Patienten zu begleiten, Bewohner und Medizinstudenten zu unterrichten und im Gesundheitswesen zu forschen. Er genießt die Ausbildung von Patienten und die Ausübung evidenzbasierter Medizin. Sein starkes Interesse an medizinischer Überprüfung kommt von diesen Leidenschaften.
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