Jahrzehntelang galt als universelle Grow-Weisheit, man könne keine biologischen Nährstoffe in hydroponischen Systemen einsetzen. Diese Aussage ist aber tatsächlich falsch! In diesem Artikel geht es um die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen dies möglich wird – und über die Debatte, die die Bewegung derzeit verursacht.
Warum ist biologische Hydroponik umstritten?
Das National Organic Standards Board, ein beratender Ausschuss des US-Landwirtschaftsministeriums, stimmte 2017 dafür, die Bio-Zertifizierung für bestimmte hydroponische und aquaponische Kulturen zu genehmigen. Dies ist ein Meilenstein, der im Allgemeinen positiv erscheint, aber dennoch einige traditionelle Bio-Landwirte verärgert hat. Diese sind der Menung, dass der ökologsche Landbau in erster Linie einen gesunden, lebendigen Boden zur Grundlage haben muss.
Auch wenn es eine gewisse Grundlage für dieses Argument geben mag, scheint das Aufkommen von Bio-Hydroponik für traditionelle Bio-Landwirte weniger bedrohlich zu sein als der konventionelle hydroponische Landbau selbst. Tatsächlich deuten Berichte darauf hin, dass immer mehr konventionelle Landwirte ökologische Verfahren in ihre Betriebe integrieren möchten (und dies auch bereits tun).
Dass es bislang nicht mehr Landwirte getan haben, liegt am ehesten an mangelnder Finanzierung, Unerfahrenheit mit der Thematik und mangelndem Vertrauen in die verhältnismäßige Rentabilität und Zuverlässigkeit von Bio-Produkten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass dies von einer inhärenten, unerschütterlichen Präferenz für chemische Düngemittel und Pestizide herrührt. Da ökologische Verfahren allerdings immer mehr an Popularität gewinnen (und die Kosten für die notwendige Ausrüstung in Zukunft wahrscheinlich sinken werden), werden diese Hürden immer kleiner.
Ein System, das die Geschwindigkeit, Quantität und Konsistenz hydroponischer Produktionen mit der Qualität und den potenziellen Umweltvorteilen des ökologischen Landbaus kombinieren kann, sollte letztendlich von den meisten befürwortet werden. Ob biologische hydroponische Systeme diesen Ansprüchen gerecht werden, ist derzeit schwer zu beurteilen, da relativ wenige Cannabisproduzenten sie verwenden. Für die Befürworter scheinen die Ergebnisse jedoch sehr ermutigend zu sein.
Biologische Verbindungen können hydroponische Systeme verstopfen
Die oben erwähnte universelle Grow-Weisheit ist in der Tat nicht ohne Grundlage. Viele biologische Nährstoffe sind nicht vollständig löslich und verstopfen Systeme mit Rest-Sedimenten. Darüber hinaus werden für den biologischen Anbau große Mengen wohltuender Mikroben und viel Zucker (oft in Form von dicker, klebriger Melasse) verwendet.
Führt man einem System ein oder zwei Wochen lang diese unlöslichen, klebrigen Substanzen zu, so kann man am Ende auf gedeihende Bakterienkolonien treffen, die sich an dicken Schichten biologischer Nährstoffe laben. Diese können letztendlich Tanks, Pumpen und Hähne verstopfen, so wie Cholesterin, das die Arterien verstopft!
Dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf hydroponische Systeme. Arbeitet man, ungeachtet dessen, ob man erdbasierte oder erdlose Substrate verwendet, mit Tropfbewässerungs-Systemen oder anderen automatischen Bewässerungsmethoden, ist man in der Regel auch darauf beschränkt, nur diejenigen biologischen Nährstoffe einzusetzen, die das jeweilige System nicht verstopfen (oder man stellt sich der Sisyphus-Aufgabe, die Systeme ständig zu reinigen).
Anaerobe Bedingungen können schnell entstehen
In Rezirkulationstanks kann die Anhäufung von Nährstoffen und Bakterien den Sauerstoffgehalt rapide reduzieren, wie es auch Algenblüten tun, wenn zu viel landwirtschaftlicher Abfluss in das Wasser sickert. Unter solchen Bedingungen können wohltuende Mikroben nicht überleben und pathogene, anaerobe Mikroben machen sich an ihrer Stelle breit. Natürlich benötigen auch die Wurzeln der Pflanzen Sauerstoff – und wenn ihnen dieser entzogen wird, kommt das Pflanzenwachstum schnell zum Erliegen.
Dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf biologische Systeme – konventionelle hydroponische Systeme können auch durch Wurzeln, Algen, Bakterien und allerlei organischer Schmiere verstopft werden. Aber natürlich widerspricht es nicht den Prinzipien der konventionellen Hydroponik, Chemikalien zu verwenden, um sämtliche organische Substanzen zu entfernen. Dies ist bei der biologischen Hydroponik allerdings unmöglich, da das gesamte Konzept darauf beruht, eine gesunde Kolonie von Mikroben zu unterhalten. Die meisten Reinigungschemikalien töten aber alle ab.
Eine ausreichende Sauerstoffversorgung ist Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung eines gesunden biologischen Hydrokultursystems – noch dringender als bei herkömmlichen Formen der Hydroponik.
Eine weitere große Schwierigkeit bei der Verwendung biologischer Nährstoffe in einem hydroponischen System (insbesondere einem substratlosen System) besteht darin, sicherzustellen, dass der Pflanze genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen.
Hydroponische Systeme ermöglichen es den Pflanzen, Wasser und Nährstoffe deutlich schneller aufzunehmen als in Substraten. Dies beschleunigt sowohl das Wachstum als auch den Ertrag und verkürzt die Zeit bis zur Ernte. Sie erfordern aber auch, dass die Nährstoffe in optimaler Konzentration ständig verfügbar sind. In der konventionellen Hydroponik wird dies durch den Einsatz von Mineralsalzen erreicht, die die Pflanze unmittelbar verwerten kann.
Der biologische Landbau stützt sich stattdessen auf das Vorkommen mikrobiellen Lebens, um komplexe organische Moleküle in einfachere Formen zu zerlegen. Dieser Prozess kann einige Zeit in Anspruch nehmen, sodass die Nährstoffe, die die Pflanze benötigt, um das beschleunigte Wachstum zu unterstützen, möglicherweise nicht in ausreichender Menge vorhanden sind, selbst wenn keine Nährstoffrückstände den Tank verstopfen und auch sonst alle anderen Variablen stimmen.
Das wiederum führt zu Mangelerscheinungen und verkümmertem Wachstum, da die Pflanze einige Nährstoffe aufnimmt und andere nicht. Dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf die Hydroponik – auch beim bodenbasierten biologischen Anbau ist die Versorgung mit ausreichend Stickstoff und bestimmten anderen Nährstoffen oft schwierig. In der Praxis führte dies manchmal dazu, dass Gemüsebauern ihre Bio-Kulturen mit anorganischen Nährstoffen ergänzten.
Wer also vollkommen biologische hydroponische Systeme erfolgreich einsetzen möchte, muss darauf achten, dass eine üppige mikrobielle Population unterstützt wird, damit die für die Ernährung der Pflanzen notwendigen biologischen Reaktionen schnell genug ablaufen können. Hier kommt, wie im nächsten Absatz erläutert wird, der Einsatz eines Bio-Filters ins Spiel!
Der Nutzen des Bio-Filters
Das Herz im Zentrum der biologischen Hydroponik ist der Bio-Filter. Im Allgemeinen ist ein Bio-Filter ein System, das große, komplexe organische Moleküle aufnimmt und sie mithilfe von Sauerstoff und biologischen Katalysatoren (beispielsweise Mikroben) in einfachere Moleküle zerlegt.
Alle biologischen hydroponischen Systeme sind auf die Verwendung eines Bio-Filters angewiesen, der auf mikrobiellen Katalysatoren basiert, um die komplexen Nährstoffe abzubauen und an die Pflanzen zu liefern. Im Wesentlichen erfüllt der Bio-Filter die Aufgaben, die Substrate normalerweise erfüllen.
In Systemen, die auf Verwendung eines Substrats basieren, können selbst Substrat-Matten als Bio-Filter fungieren. Dies gilt für viele aquaponische Systeme – es kommt nur darauf an, genügend Fläche, Sauerstoff und Nährstoffe bereitzustellen, damit sich ein blühendes mikrobielles Leben entwickeln kann.
Die gängigsten hydroponischen Systeme
Heute sind verschiedene Formen biologischer hydroponischer Systeme im Einsatz. Die wohl bekannteste Form der biologischen hydroponischen Kultivierung ist Aquaponik, die im nächsten Abschnitt erörtert wird. Zudem gibt es die sogenannte „Vermiponik“, die ähnlich wie die Aquaponik funktioniert – anstelle von Fischen werden hier aber Würmer verwendet, um komplexe Nährstoffe abzubauen. In der Regel wird löslicher „Wurmtee“ hergestellt, indem man die Ausscheidungen der Würmer mehrere Stunden lang in sauerstoffhaltigem Wasser zersetzt.
Ein weiterer faszinierender Bereich der Bio-Hydroponik ist amüsanterweise als „Pipiponik“ bekannt. Wie der Name schon vermuten lässt, basiert dieses System auf den gelösten Nährstoffen im menschlichen Urin (Pipi!), um die Pflanzen mit Nahrung zu versorgen. Da Urin reichlich Stickstoff, Phosphor, Kalium und Schwefel sowie eine Reihe von Spurenelementen enthält, bietet er den Pflanzen eine ausgezeichnete Ernährungsgrundlage.
„Pipiponik“ ist ziemlich nah am Konzept der „Bioponik“, einer anderen gängigen Form der biologischen Hydroponik, auf die in Kürze näher eingegangen wird. Beide basieren auf vollständig gelösten Nährstoffen und benötigen keine Katalysatoren wie Fische oder Würmer, um komplexe Moleküle zu zerkleinern.
Was genau ist Aquaponik?
Die Aquaponik ist eine Methode, die es seit Jahrzehnten gibt und die über einen recht soliden Forschungsansatz verfügt (obwohl sie wie gewohnt nicht speziell für Cannabis entwickelt wurde). Sie wird üblicherweise in ihre eigene Kategorie eingeordnet, aber im Grunde ist sie eine Form der biologischen Hydroponik.
Die Aquaponik verwendet ausschließlich biologische Nährstoffe und fördert sie über ein System von Rezirkulationstanks und -pumpen. Die Nährstoffe selbst werden aus den Exkrementen der in den unteren Becken lebenden Fischen gewonnen. Wird ein Bio-Filter verwendet, werden komplexe Moleküle und mikrobielle Aktivität von den Wurzeln der Pflanze ferngehalten. Einige Systeme verwenden jedoch keinen Bio-Filter und verlassen sich stattdessen auf Substratmatten, um der Mikrobenpopulation ein Zuhause zu bieten.
Wenn ein Aquaponik-System gut eingerichtet und gesund ist, kann es eine ausreichende Menge an hochwertigen Nährstoffen liefern, um erfolgreich erstklassiges Cannabis anzubauen. Der Aufbau eines Aquaponik-Systems, das Cannabis während der Blütezeit tragen kann, kann jedoch einige Zeit an Vorbereitung kosten, da Fisch- und Bakterienpopulationen eine Weile brauchen, bis sie sich vollständig etabliert haben.
Substratlose Bio-Hydroponik („Bioponik“)
Bei substratlosen biologischen Hydroponik-Systemen werden keine Substratmatten eingesetzt, um eine gesunde mikrobielle Kolonie aufrecht zu erhalten. Stattdessen kommt ein speziell gefertigter Bio-Filter zum Einsatz.
Diese Form der biologischen, substratlosen Hydroponik ist im Allgemeinen als „Bioponik“ bekannt. Offenbar wurde dieser Begriff von William Texier von General Hydroponics eingeführt, einem der größten und einflussreichsten Hersteller konventioneller hydroponischer Systeme und Nährstofflösungen.
„Bioponik“ ist wahrscheinlich die „reinste“ Form der biologischen Hydroponik. Es ist eine Herangehensweise, die ausschließlich mit der Intention entwickelt wurde, substratlose Bio-Hydroponik zu ermöglichen.
Der Ansatz, den Texier seit seiner ersten Anwendung im Jahr 2005 weiterentwickelt hat, basiert auf vollständig löslichen Nährstoffen und einem speziell entwickelten Bio-Filter, der sicherstellt, dass komplexe Moleküle schnell und effektiv verarbeitet werden.
Der Bio-Filter ist im Wesentlichen eine Kammer, die reich an Sauerstoff und mikrobiellem Leben ist. Sie nimmt Wasser und komplexe Nährstoffe auf und die Mikroben, die in ihrem ungestörten, sauerstoffreichen Zufluchtsort in Sicherheit leben, können die komplexen Moleküle darin schnell in einfachere Formen umwandeln. Danach werden das Wasser und die aufbereiteten Nährstoffe zu den Pflanzen gepumpt, wo sie optimal aufgenommen werden können.
Das bedeutet, dass unlösliche Nährstoffe und mikrobielle Aktivität in einer separaten Zone von den Wurzeln ferngehalten werden. Das hat den Vorteil, dass in der Wurzelzone ein hygienischer Zustand besser gewährleistet werden kann und gleichzeitig die Bedingungen im Bio-Filter besser kontrolliert werden können.
„Bioponik“ kann in allen gängigen substratlosen hydroponischen Systemen eingesetzt werden – in Tiefwasser-Kulturen, Aeroponik-Systemen und bei der Nährstofffilm-Technik (NFT). Es kann auch in Systemen angewendet werden, die typischerweise inerte Substanzen verwenden, wie das Ebbe-und-Flut-System.
Interessanterweise kann „Bioponik“ auch zur Fischzucht in den unteren Becken eingesetzt werden! Die Fische können in der nährstoffreichen Umgebung gedeihen und einige dieser Nährstoffe mitverarbeiten, bevor sie sie den Pflanzen schließlich vollständig zur Verfügung zu stellen. Dies wird jedoch nicht zu der Aquaponik gezählt, da die Pflanzenernährung bei „Bioponik“ nicht nur Fischabsonderungen beinhaltet.
Wer ein „Bioponik“-System verwendet, kann uns seine Erfahrungen in den Kommentaren mitteilen – wir freuen uns auch über Rückmeldungen oder Anregungen zu diesem Artikel!
- Disclaimer:Die Gesetze und Vorschriften zum Cannabisanbau sind von Land zu Land unterschiedlich. Sensi Seeds rät Ihnen daher dringend, Ihre lokalen Gesetze und Vorschriften zu befolgen. Handeln Sie nicht im Widerspruch zum Gesetz.
Hallo,
Ich finde den Artikel sehr interessant aber ich glaube, ich habe die neuesten Aktualisierungen des europäischen Gesetztestextes überlesen. Z.B. sind Erdbeeren laut der Biokontrolle in Karlsruhe seit 2023 nicht mehr im Hydroponik/Aquaponik erlaubt. Auch andere Gemüsearten. Wäre gut, wenn der Artikel aktualisiert werden würde…
Als Erstes möchtenich mich für den interessanten Artikel bedanken. Ich suche schon seit geraumer Zeit Informationen zu Bioponik. Ich bin aber noch auf der Suche nach einem geeigneten Bio-Filter.
GHE hatte eine kleinen im Programm, aber dieses Produkt wird nicht mehr verkauft. Könntet Ihr mir einen Hersteller, oder Verkaufsstellen nennen, wo ich einen Bio-Filter erwerben kann?
Vielen Dank im Voraus.
Michael
Hallo Michael,
Vielen Dank für Ihr positives Feedback. Es ist immer wieder schön zu hören, dass wir interessante Artikel anbieten.
Leider kann ich Ihre Fragen nicht beantworten, da sie wirklich außerhalb des Rahmens dieses Blogs liegen. Einer unserer anderen Leser hat jedoch möglicherweise Erfahrungen, die er gerne teilt, und die für Sie hilfreich sein könnten.
Ich hoffe du genießt den Blog weiterhin 🙂
Mit besten Grüßen,
Scarlet
Kommt vielleicht was spät aber schau doch mal im Bereich der Teichtechnik da gibt es ebenfalls einige Selbstbauten z.B. für Koi-Teiche 😉