Seit Jahrzehnten treiben spanische Frauen die Legalisierung und Normalisierung von Cannabis durch Gesetzesinitiativen, medizinische Forschung, privaten Anbau, politische Lobbyarbeit, Aktivismus und mehr voran. Diese Cannabis-Frauen wollen die spanischen Drogengesetze und die restriktive Politik verändern, um ein sicheres, integratives und repräsentatives Konsumumfeld für alle zu gewährleisten.
Spanische Frauen im medizinischen Bereich – Dr. Cristina Sanchez
Einer der bekanntesten Namen auf der medizinischen Bühne ist Dr. Cristina Sanchez, Molekularbiologin an der Complutense Universität in Madrid, die tumorhemmenden Eigenschaften von Cannabis entdeckt hat.
Fasziniert von der Arbeit des israelischen Wissenschaftlers Raphael Mechoulam, der das Cannabinoid Tetrahydrocannabinol (THC) entdeckt hat, also den einzigartigen Wirkstoff, der das psychotrope „High“ verursacht, machten sich Sanchez und ihr Team in den 90er- Jahren daran, die Wirkungsweise dieser chemischen Verbindung genauer zu erforschen.
Bei ihrer Forschungsarbeit fanden sie heraus, dass THC Krebszellen tötet, indem es sie zum Selbstmord veranlasst. In diesem Video, das mehr als zehn Jahre alt ist, spricht Sanchez begeistert über das Potenzial von THC zur Krebsbehandlung: „Einer der Vorteile von cannabinoidbasierten Medikamenten ist, dass sie spezifisch auf Tumorzellen abzielen und keine toxische Wirkung auf Nicht-Tumorzellen haben.“
Als Beweis dafür, dass sie ihrer Zeit weit voraus ist, spricht sie des Weiteren über den Wirkstoff Cannabidiol, besser bekannt als CBD, und seine antioxidativen Eigenschaften, die das Gehirn vor Stress und Schäden schützen können. Heute erlebt CBD einen regelrechten Boom auf dem Cannabismarkt, obwohl die Drug Enforcement Administration (DEA) in Amerika weiterhin über den rechtlichen Status des Wirkstoffs diskutiert.
Wie eine echte Pionierin sprach Sanchez bereits vor zehn Jahren über das medizinische Potenzial. Heute sitzt sie im Vorstand des spanischen Observatoriums für Medizinisches Cannabis (OEDCM) und spricht auf Konferenzen von Prag bis Chile über die tumorbekämpfenden Eigenschaften von Marihuana.
Carola Pérez
Sehr oft sind es persönliche Erfahrungen, die Frauen in die Welt des Cannabis ziehen. Genau das war auch bei Carola Pérez der Fall. Sie ist die Gründerin der OEDCM und einer weiteren Organisation namens Dosemociones, die seit 2014 Beratung zu therapeutischen Anwendungen von Cannabis anbietet. Es handelt sich hierbei um den ersten Beratungsdienst dieser Art in Spanien. Carola wurde bei einem Sturz im Alter von 11 Jahren schwer am Steißbein verletzt und hat seitdem mit chronischen Schmerzen zu kämpfen.
Als sie anfing, sich für Cannabis zu interessieren, suchte sie nach Schmerzlinderung, fand aber heraus, dass viele der Menschen, mit denen sie sprach, keine Antworten für sie hatten. So begann sie schließlich, ihre eigene Forschung zu betreiben, und im Zuge dessen vernetzte sie sich mit einigen der wichtigsten Cannabisforscherinnen der Welt, so zum Beispiel mit Dr. Cristina Sanchez.
Heute kann sie mithilfe der Organisation, die sie gegründet hat, kranken Menschen die Informationen und Antworten über die therapeutischen Eigenschaften von Cannabis geben, die ihr selbst einst verwehrt wurden.
Auch spanische Frauen growen
Die Idee hinter Las Chicas Tambien Cultivan („Auch Frauen growen“), einer Online-Initiative der drei Frauen Maria Barragans, Gemma Burgos und Davinia Hidalgo Mateo, war es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen Marihuana ohne Angst vor einer Verurteilung und Ächtung durch die Gesellschaft anbauen können.
Gemeinsam verfügen sie über jahrzehntelange Erfahrung im Cannabis-Bereich. Gemma zum Beispiel eröffnete 1999 mit ihrem Mann den ersten Growshop Spaniens, um Samen zu verkaufen. Maria hat einen Blog namens „Con M de Maria“, in dem sie die Verbindung zwischen Frauen und Gras untersucht.
Als sich die Frauen vor drei Jahren bei einer Branchenveranstaltung, „einem weiteren dieser Cannabis-Cups, bei dem alle Preise an Männer gehen“, trafen, beschlossen sie, dass es an der Zeit sei, mehr zu tun, um die Stoner-Stereotypen zu widerlegen. „Die Realität ist, dass es nicht den den einen Cannabiskonsumenten gibt“, sagt Gemma. „Wir sind hart und professionell arbeitende Frauen mit guten Absichten und Familien. Wir leben bloß unser Leben und Cannabis ist eben ein Teil davon.“
Der Mangel an Marken und Dienstleistungen für Frauen ist ein großes Problem für Las Chicas. „Als Cannabiskonsumentin und –growerin habe ich nicht das Gefühl, dass die Industrie meinen Geschmack oder meine Vorlieben repräsentiert“, sagt Davinia. „Ich identifiziere mich nicht mit den Werbekampagnen und sehe keine Produkte, die mich ansprechen.“ Um dieses Problem anzugehen, schufen sie eine Online-Plattform, um die „Stimmen und Interessen“ von Frauen zu vertreten.
„Wir wollen reale und vielfältige Bilder von Growern und Konsumenten präsentieren und damit die Unterschiede zum dem Bild aufzeigen, das die Industrie von uns zeichnet“, fügt Maria hinzu. Ihre Kampagnen-Hashtag lautet #Juntassomosmásfuerte (Gemeinsam sind wir stärker.)
Eine besondere Erwähnung geht an eine Frau, die kürzlich die spanische Cannabiswelt durch den Gewinn aller Cannabis-Cup-Preise auf der Expocañamo in Sevilla erschüttert hat.
Über dieses Marihuana-Girl ist noch nicht viel bekannt, da sie sich sehr unauffällig verhält. Sie nennt sich La Flaca und ist mit dem Cannabis Social Club „The Plug“ in Barcelona vernetzt. Wenn sie weiterhin wie in Sevilla bei Cannabis Cups im ganzen Land abräumt, könnte sie der Katalysator sein, der bei einer ganzen Generation junger Frauen das Interesse am Growen weckt.
Spanische Frauen in der Cannabisindustrie und im Aktivismus
Susana Soto ist eine Anwältin, die maßgeblich an der Ausgestaltung des spanischen Cannabis-Social-Club-Modells (CSC) beteiligt war. In den späten 1990er-Jahren, als sich herausstellte, dass die spanischen CSCs einen rechtlichen Rahmen zum Wachstum benötigten, gab die Regionalregierung von Andalusien einen Report in Auftrag. Soto war eine der Autorinnen. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass CSCs nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, sondern „Orte des privaten Konsums“ sein sollten, die den „Zugang“ unter „gewohnheitsmäßigen Nutzern“ regulieren.
Obwohl dieser Bericht nicht rechtsverbindlich war, wurden die enthaltenen Konzepte von der CSC-Bewegung angenommen und führten so 2001 zur Eröffnung des Barcelona Taster’s Cannabis Club, dem ersten Club, der seinen Mitgliedern einen privaten Raum zum Konsum bot. Heute gibt es mehr als 800 CSCs in Spanien, davon etwa 500 in Katalonien und 300 in Barcelona.
Eine weitere Frau, die mit ihrer Initiative viel für Industriestandards getan hat, ist Susan van Brunschot. Nachdem sie fünf Jahre lang für eine Cannabisdüngerfirma gearbeitet hatte, kam sie 2011 auf die Idee, die Fundación CANNA zu gründen, eine Organisation, die sich der Untersuchung von Cannabis und seinen Wirkstoffen, der Aufrechterhaltung der Qualität von Strains durch Tests und der Förderung der medizinischen Marihuanaforschung verschrieben hat.
Heute hat das Labor der Fundación CANNA bereits mehr als 6.000 Strains analysiert und ist die erste Anlaufstelle für viele in Spanien ansässige CBD-Unternehmen, die kontinuierlich die Qualität ihrer Chargen testen müssen, um die Anforderungen der Industrie zu erfüllen (in der EU muss CBD aus Hanf mit weniger als 0,2 % THC hergestellt werden).
Susan sieht zwar, dass Spaniens Cannabiswelt eine Männerdomäne ist, und sagt, dass sie es manchmal „schwierig fand, sich in einem Raum voller Männer Gehör zu verschaffen“. Doch sie ist auch zuversichtlich, dass in Zukunft genauso viele Frauen in dieser Industrie arbeiten werden wie in den USA.
Sie glaubt, dass der Kampf für die Legalisierung ein Kampf gegen die Heuchelei der Machthaber ist, die sich entschieden haben, ihre Augen vor dem Potenzial von Cannabis zu verschließen. „Wir müssen die politischen und wirtschaftlichen Interesse zurückstellen und eine ehrliche und offene Untersuchung des wahren medizinischen Potentials der Marihuanapflanze einleiten.“
Eine der fleißigsten Frauen in Spaniens Cannabiswelt ist die Aktivistin Patty Amiguet, Gründungsmitglied beziehungsweise Sprecherin einer langen Liste von Lobbyistengruppen, darunter Kataloniens Cannabis-Verband (CatFac), Mujeres Cannabicas sowie Spaniens nationaler Vereinigung der Cannabis-Verbände (ConFac).
Sie ist außerdem eine der Aktivistinnen hinter La Rosa Verde, einem Projekt, das 2014 mit dem Ziel an den Start ging, 67.500 Unterschriften zu sammeln und bei der katalanischen Regierung einzureichen, um die Cannabis Social Clubs (CSC) der Region zu regulieren. La Rosa Verde war ein Erfolg und im Juni 2017 wurde das katalanische Gesetz als erstes regionales Regelwerk für CSCs verabschiedet.
„Ich habe der Marihuanapflanze so viel zu verdanken“, sagt Patty, die vor ihrer Tätigkeit als Aktivistin eine Freizeit- und Genusskonsumentin war. Vor acht Jahren eröffnete sie mit einem Freund einen CSC in Barcelona und von dem Zeitpunkt an ging ihre Cannabiskarriere steil bergauf. Sie beklagt, dass es trotz ihrer vielen Erfolge immer noch eine Herausforderung ist, ernst genommen zu werden.
„Ich stelle fest, dass Männer meine Meinung nicht auf die gleiche Weise schätzen, besonders wenn sie mich nicht kennen“, sagt sie – und weiter: „Das ist bedauerlich, denn ich glaube, dass wir eine Regulierung von Cannabis nur erreichen werden, wenn wir unsere Egos beiseite legen und uns auf das konzentrieren, was für alle das Beste ist“.