Lässt Mukoviszidose sich mit Cannabis vorbeugen oder behandeln?

Eine blasse Frau, die in eine Sauerstoffmaske und ein Gelenk atmet, wo sich zwei Knochen treffen

Mukoviszidose ist eine schwere genetische Erkrankung, die die Lebenserwartung und Lebensqualität der Patienten deutlich herabsetzt. Inzwischen zeichnet sich ein Beweis für die grundlegende Rolle des Endocannabinoidsystems bei der Erkrankung ab.

Mukoviszidose (Cystic Fibrosis = CF) ist eine Erbkrankheit, die sich auf die Lungen und weitere Organe auswirkt. Die Symptome bestehen aus Atemproblemen und übermäßiger Schleimbildung infolge von Lungenentzündungen.

Wie man weiß, hängt CF mit dem Protein namens Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR = Cystische Fibrose-Transmembran-Regulatorprotein) zusammen, dessen Produktion durch das CFTR-Gen kodiert wird. Menschen mit bestimmten Einzelnukleotid-Polymorphismen des CFTR-Gens weisen eine verminderte Fähigkeit auf, den Flüssigkeitstransport im Epithelgewebe der Lunge, der Bauchspeicheldrüse und verschiedener anderer Organe zu regulieren, was zur Entwicklung von CF führt.

Neue Forschungen lassen vermuten, dass diese genetische Fehlbildung ihre Wirkung auf den Betroffenen über das Endocannabinoidsystem entfaltet.

Eine Frau in einem braunen Strickglück, der in eine Sauerstoffmaske atmet

Fettverlust, Mukoviszidose und das Endocannabinoidsystem

CF geht mit einem gestörten Fettstoffwechsel einher; fortschreitender Fettverlust ist ein regelmäßig auftretendes Symptom der Erkrankung. Am meisten betroffen sind die Lungen und die Bauchspeicheldrüse, was zu fortschreitenden Lungenschäden und einer Erkrankung namens „Pankreasinsuffizienz“führt. Das heißt, dass die Bauchspeicheldrüse nicht in der Lage ist, genug Enzyme zu bilden und somit Nährstoffe nicht richtig aufgenommen werden können.

Da Endocannabinoide Fettsäurederivate sind, wird angenommen, dass das gestörte Endocannabinoidsystem, das bei CF-Patienten zu beobachten ist, ein Ergebnis dieses Faktors sein kann.

Wegen der gestörten Nährstoffaufnahme benötigen CF-Patienten für ein normales Wachstum, eine normale Entwicklung und einen generell guten Gesundheitszustand das ganze Leben über eine deutlich höhere Kalorienzufuhr als Gesunde. Zudem wissen Forscher seit einiger Zeit, dass die Lungengesundheit eng mit dem Ernährungszustand verknüpft ist; eine gesunde Ernährung kann also die langfristige Prognose und die Überlebenschancen signifikant verbessern.

Daher befolgen die meisten CF-Patienten eine speziell zusammengestellte hochkalorische Ernährung für ihre normale Entwicklung und die Gesundheit der Lungen. Die Ernährung von CF-Patienten sollte sorgfältig kontrolliert und überwacht werden, um sicherzustellen, dass die angemessene Ernährung den Patienten erreicht und im Falle einer Unterernährung sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.

Manchmal kann die Gabe von Appetitstimulanzien bei unterernährten CF-Patienten nützlich sein. Dabei ist zuerst sicherzustellen, dass die Unterernährung nicht auf Malabsorption, sondern auf ungenügender Nahrungsaufnahme und Appetitlosigkeit beruht. In diesen Fällen könnte die Therapie mit THC eine willkommene Alternative darstellen, denn es regt den Appetit an.

Pränatale und postnatale endocannabinoide Fehlfunktion und CF

Aktuelle Forschungen deuten darauf hin, dass die Ausprägung von CF möglicherweise mit einer Fehlfunktion im Endocannabinoidsystem während der prä- oder postnatalen Entwicklung zusammenhängt. Das Endocannabinoidsystem spielt eine fundamentale Rolle bei verschiedenen Aspekten ab dem frühesten menschlichen Entwicklungsstadium.

Ein menschlicher Körper mit verschiedenen Cannabinoidrezeptoren, die in leichten und dunkelblauen Punkten markiert sind

Vor der Implantation in die Epithelschicht der Gebärmutter sind im neu gebildeten Embryo hohe Konzentrationen von Cannabinoidrezeptoren und des Endocannabinoids Anandamid nachweisbar; es bedarf dann eines vorübergehenden Abfalls des Anandamidspiegels, um eine erfolgreiche Implantation des Embryos zu gewährleisten.

Zudem deutet die Anwesenheit von CB1-Rezeptoren in den Regionen der weißen Substanz des prä- und postnatalen Nervensystems darauf hin, dass diese Rezeptoren eine spezifische Rolle bei der Gehirnentwicklung spielen. Darüber hinaus wurde Anandamid auch als Bestandteil der Muttermilch nachgewiesen und es gibt Hinweise, dass die Aktivierung von CB1-Rezeptoren entscheidend für den Saugreflex bei neugeborenen Mäusen ist.

Des Weiteren wurde eine neuroprotektive Wirkung von Anandamid im postnatalen Gehirn festgestellt.

Es wird vermutet, dass eine Dysfunktion in jeder Phase dieses Prozesses eine Reihe von Entwicklungsstörungen wie CF verursachen kann; möglicherweise könnte eine Therapie mit Cannabinoiden diese Störungen mildern oder sogar beseitigen.

Eine Frau mit einem Stethoskop um ihren Hals und Handschuhen, die ein Cannabis-Blatt aushalten

Wie die Verabreichung von THC das Risiko einer Entstehung oder Verschlechterung von CF-Symptomen senken könnte

Zwar liegen bislang noch keine Studien über die mögliche Cannabinoid-Therapie von an CF erkrankten Säuglingen vor, aber die Forschungsergebnisse bei Mäusen stimmen optimistisch.

Eine Studie aus dem Jahr 2011 untersuchte das Verhalten einschließlich der motorischen Aktivität und des Angstlevels bei Mäusen, die speziell ohne CFTR-Gen gezüchtet wurden, um Symptome von CF zu entwickeln. Forscher erwarteten, bei solchen Mäusen im Vergleich zur Kontrollgruppe gesunder Mäuse Beeinträchtigungen des Endocannabinoidsystems festzustellen.

Die Forscher prognostizierten, dass die Gabe von Cannabinoidrezeptor-Agonisten an die neugeborenen CF-Mäuse die gestörten Cannabinoidkonzentrationen wiederherstellen und Verhaltensauffälligkeiten vorbeugen würde. Also wurden die THC-therapierten CF-Mäuse mit Wildtyp-Mäusen und unbehandelten CF-Mäusen hinsichtlich des Angstlevels und der motorischen Aktivität verglichen.

Wie sich zeigte, entwickelten die erwachsenen CF-Mäuse ohne THC-Therapie im Vergleich zur Wildtyp-Gruppe geringere motorische Aktivität und einen höheren Angstlevel, während die erwachsenen CF-Mäuse, die nach der Geburt THC erhalten hatten, eine normale motorische Aktivität und einen unauffälligen Angstlevel an den Tag legten.

Die Forscher vermuteten, dass Verhaltensänderungen bei CF vor allem auf einem fehlenden CFTR-Gen beruhen. Ihrer Meinung nach ist das die Ursache, dass bei neuronalen Zellen ein wichtiges Signalisierungssystem für Neurotransmitter, der CFTR-Kanal, fehlt, und dass dieser Effekt zweitens durch Fettsäuremangel und gestörte Konzentrationen von Endocannabinoiden und deren Rezeptoren vermittelt wird.

Sie vermuteten weiterhin, dass eine intensive Behandlung mit Cannabinoiden im Säuglingsalter das Gleichgewicht des Endocannabinoidsystems wiederherstellen und Verhaltensstörungen im Erwachsenenalter abmildern könne.

Ein Paar Lunge, eine gesunde Luftröhre und eine von der Mukoviszose betroffene Luftröhre

Entzündungshemmende Wirkung von CBD und THC bei Lungenschädigung durch Mukoviszidose

CF-Patienten laufen große Gefahr, eine Lungenkrankheit zu entwickeln. Die mit der CF-Lungenerkrankung verbundene Entzündung beeinträchtigt die Lungenfunktion und kann zu einer Ateminsuffizienz führen, eine der häufigsten Todesursachen. Prävention oder Milderung der Entzündung ist daher lebenswichtig.

Untersuchungen ergeben, dass sowohl THC als auch CBD starke entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Noch besser, sie kommen auch ohne die Nebenwirkungen der heutigen CF-Medikamente aus. Mit diesem Wissen liegt es auf der Hand, dass eine weitere Erforschung und Entwicklung von cannabinoidbasierten CF-Behandlungen erforderlich und auch wahrscheinlich ist.

Eine Spritze, Lineal, Fläschchen und Pillen um das Wort "Mukoviszose"

Cannabiskonsum bei heutigen Mukoviszidose-Patienten

Obwohl der Drogenkonsum insgesamt bei CF-Patienten geringer ist als in der Allgemeinbevölkerung, wird Cannabis überraschend häufig konsumiert. Eine im Journal of Cystic Fibrosis veröffentlichte Umfrage aus dem Jahr 2012 ergab, dass 31 % der befragten CF-Patienten Cannabis konsumiert haben.

Eine Übersicht aus dem Jahre 2001 besagte, dass es „keine Langzeitstudien über den Cannabiskonsum bei CF-Patienten gegeben hat, aber einige Artikel haben eine alarmierende Häufigkeit von bis zu 60 % beobachtet. Manche Patienten bemerken möglicherweise durch das Rauchen von Cannabis eine zeitweilige Bronchodilatation (sic.), aber dieser Vorteil ist sehr kurzfristig. Die Patienten müssen sich der langfristigen Schäden bewusst sein, die sowohl durch die Tabakprodukte als auch durch die Cannabis-Stoffwechselprodukte entstehen“.

Einer früheren Studie zufolge hat Cannabis „oft die chronischen Lungensymptome verschlimmert, obwohl manche Patienten von einer zeitweiligen Milderung während des Konsums berichteten.“

Freilich geht dieser Bericht davon aus, dass Cannabis zusätzlich zu Tabakprodukten geraucht wird, und er befasst sich daher vor allem mit der Gefahr des Rauchens von Cannabis und weniger mit anderen Konsummethoden. Obwohl andere Untersuchungen darauf hinweisen, dass Cannabisrauch weniger karzinogen wirkt als Tabakrauch, ist Menschen, die anfällig für Lungenprobleme sind, das Rauchen überhaupt abzuraten. Bis mehr über die Gesundheitsrisiken des Rauchens von reinem Cannabis bekannt ist, wird den Patienten in der Regel von ihrem Arzt empfohlen, sich für gesündere Konsummethoden wie Verdampfung und cannabishaltige Lebensmittel zu entscheiden.

Bedeutung für das Gesundheitswesen

Bis wir die Feinheiten des Endocannabinoidsystems, seiner Bedeutung für die menschliche Entwicklung und seines Zusammenhangs mit vielen bisher mysteriösen Krankheiten wie Mukoviszidose vollständig verstanden haben, ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Erste Untersuchungen zur Bedeutung von Cannabinoidrezeptor-Agonisten wie THC sind jedoch vielversprechend und bilden zweifellos den Ansatz für zukünftige zielgerichtete Therapien.

  • Disclaimer:
    Dieser Artikel stellt keinen Ersatz für eine professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung dar. Wenden Sie sich immer an Ihren Arzt oder eine andere zugelassene medizinische Fachkraft. Sie sollten wegen etwas, das Sie auf dieser Website gelesen haben, weder zögern, Ihren Arzt aufzusuchen, noch deswegen eine medizinische Beratung missachten.

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    Sanjai Sinha

    Dr. Sanjai Sinha ist Mitglied der akademischen Fakultät des Weill Cornell Medicine Colleges in New York. Er verbringt seine Zeit damit, Patienten zu begleiten, Bewohner und Medizinstudenten zu unterrichten und im Gesundheitswesen zu forschen. Er genießt die Ausbildung von Patienten und die Ausübung evidenzbasierter Medizin. Sein starkes Interesse an medizinischer Überprüfung kommt von diesen Leidenschaften.
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