Die neuroprotektiven Wirkungen von Cannabis

A person holding a tablet with animated human brain and a man smoking joint behind

Die Beweise häufen sich, dass neurodegenerative Erkrankungen, Schädel-Hirn-Traumata und ischämische Attacken mit Cannabinoiden behandelt werden können. Neben ihren erwiesenen antioxidativen und entzündungshemmenden Effekten zeigen Cannabinoide auch neuroprotektive Eigenschaften. Sie könnten sogar die Neurogenese fördern.

Der wichtigste medizinische Anwendungsbereich der neuroprotektiven Wirkungen von Cannabis sind neurodegenerative Erkrankungen. Diese treten als Ergebnis eines fortschreitenden Verlusts der Funktion der Nervenzellen auf. Die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, die im Erwachsenenalter entsteht, ist die Parkinson-Krankheit, und eine der häufigsten ist die Alzheimer-Krankheit. Zwar kommen neurodegenerative Erkrankungen bei Kindern seltener vor, dennoch gibt es sie, zumeist in Form der Enzephalopathie.

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ist eine Entzündungsreaktion des Immunsystems im Allgemeinen einer der primären Faktoren, die zur Schädigung und Funktionsstörung der Neuronen führen. Das ist auch der Grund, warum viele neurodegenerative Erkrankungen bei Erwachsenen auftreten.

Katzenscan eines Gehirns, das beschädigt wurde

Derzeit gibt es keine Behandlungsmethode zur Heilung von neurodegenerativen Erkrankungen. Medikamente können die Symptome höchstens verbergen und vielleicht das weitere Fortschreiten der Krankheit aufhalten. In diesem Bereich der Neurologie können die neuroprotektiven Wirkungen von Cannabis eine wichtige Rolle spielen.

Das Endocannabinoidsystem und neurodegenerative Erkrankungen

Die wissenschaftliche Erforschung des Endocannabinoidsystems enthüllt stets mehr Fakten über dessen Funktion in Bezug auf Neuroprotektion und neurodegenerative Erkrankungen. Das Endocannabinoidsystem ist ein extrem komplexes physiologisches Signalsystem, das hauptsächlich im Gehirn ansässig ist. Was diesen bestimmten menschlichen Mechanismus so interessant macht, ist die Tatsache, dass das Signalsystem umgekehrt arbeitet.

Endogene Cannabinoide werden nicht in gleicher Weise wie Neurotransmitter in präsynaptischen Neuronen gespeichert. Sie werden vielmehr bei Bedarf produziert, wenn der Auslöser für die intrazelluläre Synthese „eingeschaltet wird”, wobei der Hauptauslöser Kalziumionen sind. Das ist eine der Hypothesen, um zu erklären, warum das Endocannabinoidsystem wie ein „Regenerations”-System oder „Heilungs“-Mechanismus des Körpers wirkt.

Ein relevantes Beispiel hierfür sind die Endocannabinoidkonzentrationen nach einer Hirnverletzung. Eine Übersicht aus dem Jahr 2006 zeigte extrem erhöhte Konzentrationen der endogenen Cannabinoide im Anschluss an durch Kainsäure hervorgerufene Anfälle, Glutamatvergiftungen, schockbedingten Stress und Traumata. Die Reaktion des Endocannabinoidsystems auf diese Störungen legt nahe, dass das Endocannabinoid-Signalsystem einer der wichtigsten Kompensationsmechanismen des Gehirns nach Hirnverletzungen ist.

Diese Befunde zeigen einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoidsystem und der Genesung von einer neurodegenerativen Erkrankung auf, und daher stellt Cannabis ein potenzielles Untersuchungsobjekt der medizinischen Forschung dar.

Antioxidative & entzündungshemmende Eigenschaften von Cannabis

In den letzten Jahren wurde der fundierte Nachweis für die antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften verschiedener Cannabinoide erbracht, und unser Wissen über die Rolle, die diese bei der Regulierung der Neurotransmission spielen, ist gewachsen.

Somit wird nun ernsthaft über ihr Potenzial als neuroprotektive Wirkstoffe nachgedacht. Cannabinoide haben ein Absterben der Neuronen bei akuten neuronalen Verletzungen nachweislich verhindert, unter anderem bei ischämischen Attacken und Schädel-Hirn-Traumata, und haben außerdem die Symptome der Multiplen Sklerose, der Huntington-Krankheit und anderer chronischer neurodegenerativer Erkrankungen gelindert.

Es wird angenommen, dass antioxidative Effekte ein Aktionsmechanismus sind, durch den Cannabis die mit neurodegenerativen Erkrankungen verbundenen Symptome lindert. Schon 1998 bewiesen Forscher die antioxidativen Effekte von CBD und merkten an, dass es ein potenteres Antioxidans sei als Ascorbat oder Tocopherol, aber ohne die mit diesen Substanzen assoziierte toxische Wirkung.

Dies ist relevant, da das Gehirn eines der Organe ist, die für oxidativen Stress am anfälligsten sind. Oxidativer Stress stellt im Grunde ein Ungleichgewicht in den Redoxzuständen dar, was zu einer übermäßigen Menge der reaktiven Sauerstoffspezies führt. Daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass oxidativer Stress ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von Alzheimer ist. Es wird vermutet, dass dies auch auf die Parkinson-Krankheit zutrifft.

Die entzündungshemmenden Wirkungen von Cannabis können auch als eine neuroprotektive Eigenschaft der Pflanze angesehen werden. Man nimmt an, dass die durch den CB2-Rezeptor herbeigeführte Aktivität die Mikrogliazellen beeinflusst und neuronale Entzündungsmechanismen vermindert. Gegenwärtig werden im Zusammenhang mit der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen manchmal entzündungshemmende Medikamente eingesetzt, besonders bei der Behandlung der Alzheimer-Krankheit. Allerdings wurden in Studien über die Wirksamkeit von entzündungshemmenden Mitteln, die für diesen Zweck verwendet wurden, bislang sehr unterschiedliche Resultate erzielt.

Hemmung von schädlichen Stoffen

Eine 2002 von Mechoulam et al. veröffentlichte Studie bewies, dass sich die Produktion von Anandamid und 2-AG im Gehirn nach einem Schädel-Hirn-Trauma erhöhte. Im Falle eines Schädel-Hirn-Traumas (TBI = Traumatic brain injury oder intrakranielle Verletzung) werden bestimmte Substanzen erzeugt, die bekanntermaßen neuronale Schäden hervorrufen: der Tumornekrosefaktor-alpha und die reaktive Sauerstoffspezies (ROS = reactive oxygen species). Die Studie zeigte, dass die Produktion von Anandamid und 2-AG die Erzeugung dieser potenziell schädlichen Substanzen hemmt.

Eine andere Studie Mechoulams untersuchte das hemmende Potenzial von 2-AG und Anandamid in vivo. Die Studie wurde an Mäusen und Ratten mit TBI (Schädel-Hirn-Traumata) durchgeführt. Als man die beiden Substanzen den Mäusen und Ratten mit Hirnverletzungen verabreichte, wurde der Umfang der Hirnschäden reduziert. Es wurde festgestellt, dass die Ausmaße des Hirnödems (Ansammlung von Flüssigkeit, die zu Schwellungen führt), des Infarktvolumens (Ausmaß der Gewebsnekrose) und des Zelltodes im Hippocampus reduziert wurden, und dazu kam eine allgemein verbesserte klinische Genesung.

Dies ist aus folgendem Grund relevant für medizinisches Cannabis: Es ist bekannt, dass CBD die Serumkonzentrationen von Anandamid erhöht. Und zwar, indem es die FABPs hemmt, die die Übermittlung von Anandamid (AEA) an das FAAH vermindern und das durch FAAH gesteuerte äußere/innere Konzentrationsgefälle unterbrechen. Interessanterweise haben die Forscher auch gezeigt, dass nicht cannabinoidhaltige Cannabisstoffe das MAGL ebenfalls schwach hemmen; MAGL ist ein Enzym, das für den Abbau von 2-AG verantwortlich ist.

Cannabinoide bei der Genesung nach ischämischen Attacken

Es wurde mehrmals nachgewiesen, dass THCCBD und verschiedene weitere Cannabinoide während und nach einer ischämischen Attacke (IS) einen neuroprotektiven Einfluss ausüben. Zwar zeigen diverse Studien, dass Cannabiskonsum das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen kann, doch dieses Phänomen scheint auf kleine Gruppen von hierfür anfälligen Personen begrenzt zu sein. In 27 % dieser Fälle könnte eine reversible Blutgefäßverengung im Gehirn, die durch den Konsum von Cannabinoiden verursacht wurde, einen überzeugenden Auslösemechanismus für den Schlaganfall darstellen. Für die Mehrheit scheinen Cannabinoidtherapien jedoch ein großes Potenzial bei der Abschwächung der Entzündung und des oxidativen Stresses aufgrund eines IS zu haben.

CBD ist Gegenstand zahlreicher Studien als neuroprotektive Therapie gegen IS gewesen. Es kann nachweislich den zerebralen Blutfluss nach einem IS erhöhen und hierdurch dabei helfen, das Ausmaß des Infarkts zu mildern. Eine 14-tägige, wiederholte Behandlung mit CBD (10 mg/kg) führte zu einer Unterkühlungs-Toleranz sowie zu einer Toleranz der neuroprotektiven Effekte. Deshalb wird ihm auf diesem Forschungsgebiet ein größeres therapeutisches Potenzial als THC zugestanden. Es wurde außerdem bewiesen, dass CBD Entzündungen lindern kann, die durch die Freisetzung von Interleukin-1, Stickstoffmonoxid und des Tumornekrosefaktors-alpha nach einem IS verursacht werden.

Ebenso wie bei TBI sind viele Gehirnschäden infolge eines IS auf oxidativen Stress zurückzuführen, der durch den Aufbau der ROS aufgrund der übermäßigen glutamatergen Übertragung verursacht wird. Sowohl THC als auch CBD sind nachweislich effektive Antioxidantien (wie bereits gezeigt wurde), die die glutamaterge Übertragung hemmen und dadurch das Ausmaß des Aufbaus von ROS nach einer ischämischen Attacke vermindern. Auch hier erweist sich CBD jedoch als effektiveres Antioxidans und besitzt daher bei degenerativen Erkrankungen ein größeres therapeutisches Potenzial als THC.

Illustration der glutamatergen Signalübertragung

Durch Glutamat vermittelte Übertragung und Cannabinoide

Glutamat ist der am reichlichsten vorhandene Neurotransmitter im menschlichen Gehirn. Es ist ein stimulierender Neurotransmitter, der in neuralen Kreisläufen, die mit der synaptischen Plastizität verbunden sind, eine Rolle spielt. Indem Glutamat die Signalübertragung zwischen Neuronen verstärkt oder abschwächt, besitzt es beim Lernen und beim Gedächtnis eine entscheidende Funktion. Es ist der wohl wichtigste Neurotransmitter im Gehirn; es bestimmt, wie ein Individuum Informationen speichert, und ist ein bedeutender Faktor bei der Langzeitpotenzierung.

Hohe Glutamatkonzentrationen bewirken Neurotoxizität (insbesondere vermittelt durch die NMDA-, AMPA- und Kainat-Glutamatrezeptoren) und führen zur Bildung von Substanzen, die zusätzliche Schäden verursachen, wie ROS und der Tumornekrosefaktor-alpha. Außerdem weiß man, dass die Glutamat-Aktivität durch die Anwesenheit von Antioxidantien reduziert wird. Und da CBD und THC sich als Antioxidantien erwiesen haben, gibt es auf diesem speziellen Gebiet der Neurologie eine eindeutige Grundlage für eine weitere Erforschung der Cannabinoide.

Die Interaktionen zwischen verschiedenen Cannabinoiden und dem glutamatergen Signalsystem wurden in einer Studie mit dem Titel Neuroprotective Antioxidants from Marijuana untersucht, die 2000 veröffentlicht wurde. In dieser Studie wurden Cannabidiol und mehrere andere Cannabinoide in Bezug auf ihr neuroprotektives Potenzial bei Ratten in vitro untersucht; in Neuronenkulturen, die toxischen Konzentrationen von Glutamat ausgesetzt wurden. Dabei zeigte CBD die besten antioxidativen Eigenschaften zur Vermeidung der Glutamat-Toxizität.

Von Cannabinoidrezeptoren unabhängige Mechanismen

Die Autoren der Studie Neuroprotective Antioxidants from Marijuana wiesen auch nach, dass sowohl THC als auch CBD die Neuroprotektion erhöhten und die Neurotoxizitäten von NMDA-, AMPA- und Kainat-Rezeptoren verminderten. Darüber hinaus wurde der Grad der Neuroprotektion nicht durch die Aktivität spezieller Cannabinoid-Rezeptor-Antagonisten erhöht, was anzeigt, dass der Aktionsmechanismus von Cannabinoidrezeptoren unabhängig war.

Frühere Studien kamen zu dem Schluss, dass CB2-Rezeptoren in diesen entscheidenden Zellprozessen eine Rolle spielen. So entstand die Basis für die Idee, dass bestimmte Agonisten dieses Rezeptortyps bei ihren Aktionen „beide Seiten einer Medaille” berücksichtigen, indem sie den gesunden neuronalen Zellen Zellschutz bieten oder den Zelltod von Tumorzellen auslösen. Doch CBD verhält sich typischerweise nicht wie ein Agonist, sein neuroprotektives Potenzial muss also anderswo realisiert werden.

Außerdem reduziert CBD erwiesenermaßen die Toxizität von Hydroperoxid (ein Typ der ROS) in Nervenzellkulturen, was einmal mehr seine Effektivität als Antioxidans belegt. Auch wenn diese Tests in vitro durchgeführt wurden, legen vorhergehende In-vivo-Studien zur zerebralen Ischämie bei Ratten nahe, dass seine Effektivität umfassend ist.

Perinataler hypoxisch-ischämischer Anfall

Eine signifikante Ursache für Hirnverletzungen bei Neugeborenen ist der perinatale hypoxisch-ischämische Anfall. Hierbei wird der Sauerstoff- und Blutfluss ins Gehirn des Säuglings durch eine Asphyxie unterbrochen, oft während der Geburt des Kindes. Diese furchtbare Erkrankung führt bei 15–20 % der Kinder mit dieser Diagnose zum Tod.

Die Erkrankung kann zudem schwere neurologische Beeinträchtigungen zur Folge haben, zum Beispiel Epilepsie, zerebrale Lähmungen, motorische Störungen und Hyperaktivität bei weiteren 25 %. Im Entwicklungsstadium ist das Gehirn viel anfälliger für hypoxisch-ischämische Anfälle als das Gehirn Erwachsener. Denn es enthält eine hohe Konzentration an Blutgefäßen und mehr Wasser, und daher ist die Wahrscheinlichkeit von schädlichen Ereignissen wie einer Hämorrhagie (schwere Blutung) größer.

Nach einer Hirnverletzung durch einen hypoxisch-ischämischen Anfall wird sofort eine Reihe spezifischer zellulärer Mechanismen in Gang gesetzt, einschließlich einer erhöhten Produktion von Glutamat, was eine Schädigung der Zellen auslöst und am Ende zu Exzitotoxizität führt (eine Art des Zelltods, der durch übermäßige glutamaterge Signalübertragung verursacht wird).

Die genaue Natur dieses Prozesses ist wegen der komplexen molekularen Mechanismen, die der Erkrankung zugrunde liegen, noch nicht völlig geklärt. Daher mangelt es an effektiven Behandlungsoptionen, um das Ausmaß des neuronalen Schadens zu mildern. Heute haben jedoch die raschen Fortschritte in unserem Verständnis dieses Gebiets zu einer neuen Kategorie neuroprotektiver Therapien geführt, die ausgewertet und eingesetzt werden, wenn sie sich als effektiverwiesen haben.

Unter anderem wird das Endocannabinoidsystem erforscht, um dessen spezifische Rolle bei der Neuroprotektion des sich entwickelnden Gehirns zu erkunden. Die Anwendung von Cannabinoidtherapien bei Kindern ist nach wie vor umstritten, doch es gab bereits genügend Erfolge durch den Einsatz von Cannabinoiden bei diversen pädiatrischen Krankheiten (inklusive Epilepsie und Krebs), ohne dass schädliche Nebenwirkungen auftraten. Mit der Folge, dass die Kontroverse in den wissenschaftlichen Kreisen immer mehr durch den Konsens ersetzt wird, dass solche Therapien ihre Berechtigung haben können.

So wurde vorgeschlagen, dass Cannabinoide gute Kandidaten für die Behandlung perinataler Hirnverletzungen seien. Cannabinoide regulieren nicht nur neuronale Reaktionen, sondern nachweislich auch Blutgefäßerweiterungen aufgrund der Funktion der Endothelzellen und der Endothelin-Aktivität, sie regulieren die Kalziumhomöostase und besitzen signifikante anti-exzitotoxische und entzündungshemmende Effekte.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass Cannabinoide die weiße Substanz des Gehirns positiv beeinflussen. Dabei geht es um das aus Nervenfasern bestehende Hirngewebe. In dieser Studie hat die Gabe des selektiven CB1R-Agonisten ACEA während der frühen postnatalen Periode (P1 bis P14) die Erzeugung von oligodendrozytischen Progenitoren erhöht. WIN, ein weiteres synthetisches Cannabinoid, förderte die Myelinisierung der subkortikalen weißen Substanz in derselben Studie.

Animierte blaue Neuronen

Die Forschung lässt außerdem darauf schließen, dass Endocannabinoide endogene Reparatur-Reaktionen für Neuronen auslösen können. CB-Rezeptoragonisten wie THC sind womöglich in der Lage, diese endogene Reaktion zu stimulieren.

Die neuroprotektiven Eigenschaften von THC für die alternde Bevölkerung

Eine 2017 in Nature Medicine veröffentlichte Studie fand große Beachtung in den Medien, weil sie die etwas ungewöhnliche Behauptung aufstellte, dass THC verjüngende Effekte auf das alternde Gehirn haben könnte. Sogar Forbes und The Guardian publizierten Artikel über diese Studie.

Zur Durchführung der klinischen Studie mit dem Titel „Eine chronisch niedrige Dosierung von Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) stellt die kognitive Funktion bei alten Mäusen wieder her” verabreichten die Forscher Mäusen unterschiedlichen Alters (2, 12 und 18 Monate) geringe Dosierungen von THC. Mit anderen Worten: jungen, reifen und alten Mäusen. Dies geschah regelmäßig über vier Wochen hinweg. Die Höhe der Dosierung ist signifikant, da solche kleinen Dosierungen keine psychoaktiven Effekte haben – im Gegensatz zu den beim Freizeitkonsum entstehenden Effekten, weil hierbei gewöhnlich größere Mengen konsumiert werden.

Während des einmonatigen Zeitraums wertete das von Andreas Zimmer geleitete Team die Fähigkeit der Mäuse aus, kognitive Aufgaben wie Tests mit Wasserlabyrinthen zu lösen. Das Team beobachtete die Fähigkeiten der Mäuse, sich daran zu erinnern, wo sich sichere Orte befanden, oder andere Mäuse derselben Spezies zu erkennen, denen sie zuvor begegnet waren.

Seltsamerweise erbrachten junge Nagetiere, die keine niedrigen, regelmäßigen THC-Dosierungen erhalten hatten, bessere Leistungen in den Verhaltenstests für Gedächtnis und Lernen als andere junge Mäuse. Andererseits war es bei älteren Mäusen genau umgekehrt: Diejenigen, die niedrige, regelmäßige THC-Dosierungen bekamen, erzielten bessere Resultate in den Tests als erwachsene und alte Mäuse, denen kein THC gegeben wurde. Mäuse mit regelmäßigen, kleinen Dosierungen erbrachten die Leistungen zudem in kürzerer Zeit.

Diese Studie bestätigte Ergebnisse, die vorher bei der Verwendung des synthetischen Cannabinoids WIN herausgekommen waren, wobei ältere Mäuse nach der Gabe von Cannabinoiden ein besseres Gedächtnis gezeigt hatten. In der Studie von 2018 wurde alten weiblichen Mäusen im Alter von 24 Monaten einmal 0,002 mg/kg THC injiziert. Verglichen mit den Mäusen, die mit der Trägersubstanz behandelt wurden, zeigten die mit THC behandelten Mäuse bessere Leistungen in einer Batterie von 6 verschiedenen Verhaltenstests. Die einzige THC-Injektion erhöhte auch die Konzentration von Sirtuin1, einem Enzym, das mit Neuroplastizität und Neuroprotektion verbunden ist.

Der Abbau der kognitiven Funktionen durch das Altern wird nicht als neurodegenerative Erkrankung betrachtet, aber er kann auch als pathologisch angesehen werden. Es gibt so gut wie keine andere Behandlung für den altersbedingten Abbau der Denkfunktionen als eine gesunde Ernährung, Bewegung und geistiges Training fürs Gehirn. Die Studien mit Nagetieren zeigten äußerst vielversprechende Ergebnisse für THC, besonders bei der Behandlung kognitiver Defizite in der alternden Population, auch wenn noch Studien mit Menschen erforderlich sind, um diese Resultate zu bestätigen.

Ein Beispiel für Cannabinoidsäuren zur Neuroprotektion

Dieser Artikel hat hauptsächlich die Phytocannabinoide THC und CBD untersucht, aber es gibt auch eine Fallstudie für Cannabinoide in Säureform (THC-A und CBD-A). Diese sind Vorläufer von THC und CBD, und sie existieren in dieser Form, bevor der Prozess der Decarboxylierung stattfindet. Die Decarboxylierung beseitigt die Carbonsäure-Gruppe und verwandelt THC-A in THC (und CBD-A in CBD).

Ärzte, die eine Gehirnoperation durchführen

In einer Studie von 2017, die im British Journal of Pharmacology veröffentlicht wurde, untersuchten die Forscher das Potenzial von sechs verschiedenen Phytocannabinoiden auf einer PPARγ-Verbindung. PPARγ ist ein Typ des nuklearen Transkriptionsfaktors und wird häufig bei der Behandlung der Diabetes eingesetzt. Der Grund ist, dass dieser Rezeptor die Insulinempfindlichkeit in Fettzellen reguliert. Doch die Aktivierung des PPARγ beeinflusst auch die Mikrogliazellen und hat daher seit Kurzem das Interesse der Forscher geweckt, als mögliche Therapie für chronische neuroinflammatorische Erkrankungen.

Die Studie fand heraus, dass Cannabinoidsäuren sich wesentlich besser mit PPARy verbinden und aktivieren lassen als ihre decarboxylierten Versionen. Es erwies sich, dass THC-A bei Mäusen neuroprotektiv wirkt, Bewegungsdefizite verbessert und die striatale Degeneration verhindert.

Die Säureform von THC ist nicht psychoaktiv und somit ein besonders relevantes medizinisches Cannabinoid für die Forschung. Da sie nicht psychoaktiv ist, eignet sie sich für große Bevölkerungsgruppen, auch für Kinder und ältere Menschen, die für neurodegenerative Erkrankungen am anfälligsten sind.

Effektivität der synthetischen Cannabinoide

Neben Endo- und Phytocannabinoiden gilt das Interesse der Forscher nun auch dem Potenzial der verschiedenen synthetischen Cannabinoide. Beispielsweise ergab eine Studie aus dem Jahr 2009, veröffentlicht im Journal of Neuroscience, dass der synthetische Cannabinoidagonist R(+)-WIN 55212-2 den Verlust von Neuronen im Hippocampus in vivo nach einer globalen Hirnischämie bei Ratten vermindert. Er reduzierte auch das Ausmaß des Infarkts nach einer fokalen Hirnischämie, die durch den Verschluss der mittleren Hirnarterie hervorgerufen wurde.

Das weniger aktive Enantiomer (das „Spiegelbild-” Molekül) S(-)-WIN 55212-3 erwies sich als ineffektiv, und es zeigte sich, dass der protektive Effekt von R(+)-WIN 55212-2 durch die Aktivität des CB1-Rezeptorantagonisten „N-(Piperidin-1-yl)-5-(4-Chlorophenyl)-1-(2, 4-Dichlorophenyl)-4-Methyl-1H-Pyrazol-3-Carboxamid-HCl” blockiert wurde.

Interessanterweise schützte R(+)-WIN 55212-2 auch eine Kultur mit zerebralen kortikalen Neuronen in vitro vor Sauerstoff- und Glukosemangel, aber für diesen Effekt waren die CB1- und CB2-Rezeptorantagonisten unempfindlich. Dieses Gebiet muss noch ausführlich erforscht werden, um herauszufinden, welche Interaktionen hierbei genau am Werk sind. Aber schon jetzt ist deutlich, dass es potenzielle Anwendungsmöglichkeiten für diese und andere synthetische Cannabinoide zur Behandlung der zerebralen Ischämie sowie des Schlaganfalls gibt.

Cannabinoide besitzen nachweisbare neuroprotektive Eigenschaften

Es gibt eine Fülle von Beweisen für die Effektivität einer ganzen Reihe von Phytocannabinoiden, was die Behandlung und Linderung des Schädel-Hirn-Traumas, des ischämischen Schlaganfalls und des altersbedingten Abbaus kognitiver Funktionen betrifft. Darüber hinaus wird unser Wissen über die Rolle, die die endogenen Cannabinoide Anandamid und 2-AG bei der Regulierung der Entzündung und des zerebralen Blutflusses spielen, ständig erweitert. Dieser Forschungszweig macht das Endocannabinoidsystem zu einem lohnenswerten Ziel für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.

Zwar steht der Forschung noch viel Arbeit bevor – besonders bei Menschen – doch die Beweise, die für Cannabinoide als Therapie der neurodegenerativen Krankheiten sprechen, werden immer zahlreicher. Die Aktionsmechanismen, mit denen Cannabinoide ihre neuroprotektiven Wirkungen ausüben, sind weitverzweigt und komplex, doch sie sind es wert, gründlich erforscht zu werden.

  • Disclaimer:
    Dieser Artikel stellt keinen Ersatz für eine professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung dar. Wenden Sie sich immer an Ihren Arzt oder eine andere zugelassene medizinische Fachkraft. Sie sollten wegen etwas, das Sie auf dieser Website gelesen haben, weder zögern, Ihren Arzt aufzusuchen, noch deswegen eine medizinische Beratung missachten.

Comments

5 Kommentare zu „Die neuroprotektiven Wirkungen von Cannabis“

  1. 2008 Quit Smoking Weed! 2011 Diagnosed with Multiple Sclerosis. Copaxone Injection for treatment. Still quit Smoking Weed. 2015 Bad side effects get more and more (Flushes). I quit myself again from Injection. MRT say it gets worse and worse. Now i have nothing to lose. Started to Smoke Weed again and making Tinktures. 2017 new MRT… xD brain inflammation still NOT GROWING! F U PHARMA!!! Its a crime against human dignity!!! Big Pharma you only want to Grow your Zombies!!!

  2. Diesen Artikel kann man ja als „Totschlag“ quelle für Cannabis. Gegner nehmen ziemlich Geiler Sxheiß !

  3. Natürlich ist die Wirkung von Cannabis bei vielen Erkrankungen im Grunde schon er- bzw. geklärt, aber aus welchen Gründen auch immer (mal Frau Mortler und die Pharmalobby fragen….) wird das lieber „verschleiert“.

    Stattdessen werden den Menschen immer wieder „Häppchen“ in Form von angeblich super neuen Forschungen vorgeworfen, die dann aber schon im Artikel selbst relativiert werden und damit für den Leser den Eindruck erwecken, als wäre das alles wirklich „Neuland“.

    Bestes Beispiel dafür ist z.B. der (relativ „neue“) Artikel bei „Spektrum der Wissenschaft“ vom 03.01.2014 mit dem Titel: „Negative Rückkopplung bremst Cannabiswirkung aus“.

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    Sanjai Sinha

    Dr. Sanjai Sinha ist Mitglied der akademischen Fakultät des Weill Cornell Medicine Colleges in New York. Er verbringt seine Zeit damit, Patienten zu begleiten, Bewohner und Medizinstudenten zu unterrichten und im Gesundheitswesen zu forschen. Er genießt die Ausbildung von Patienten und die Ausübung evidenzbasierter Medizin. Sein starkes Interesse an medizinischer Überprüfung kommt von diesen Leidenschaften.
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